Juni 2022
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Normen, Merkblätter und Richtlinien berücksichtigen

Glasgeländer

Für Balkone und Terrassen verwenden Architekten und Planer gerne möglichst transparente Glasgeländer. Durch ihre Klarsichtigkeit gewähren sie einen beinahe ungestörten Blick in die Umgebung. Wer Glasgeländer plant, herstellt oder montiert, sollte die im Beitrag erläuterten wesentlichen Kriterien beachten. Dabei hilft auch das neue Merkblatt SIA 2057.


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Bild: RedaktionBei der Planung von Glasgeländern sollten Kriterien wie Qualität Schuhprofil, Einspanntiefe, Abdichtung, Glasqualität, Statik und Glaskante besonders berücksichtigt werden.
Bild: Redaktion
Bei der Planung von Glasgeländern sollten Kriterien wie Qualität Schuhprofil, Einspanntiefe, Abdichtung, Glasqualität, Statik und Glaskante besonders berücksichtigt werden.

 

Glasgeländer

Normen, Merkblätter und Richtlinien berücksichtigen

Für Balkone und Terrassen verwenden Architekten und Planer gerne möglichst transparente Glasgeländer. Durch ihre Klarsichtigkeit gewähren sie einen beinahe ungestörten Blick in die Umgebung. Wer Glasgeländer plant, herstellt oder montiert, sollte die im Beitrag erläuterten wesentlichen Kriterien beachten. Dabei hilft auch das neue Merkblatt SIA 2057.

Text: Redaktion / Technische Quellen: Cladding AG, Landquart und Roffler Ingenieure GmbH, Malans

Da die technischen Anforderungen bei transparenten Geländern sehr hoch liegen, müssen bei der Planung gewisse Kriterien beachtet werden. Dabei gilt es, die Befestigung, die Abdichtung an den Baukörper, die Stossausbildungen und den Glaseinsatz genau zu planen.
Fachplaner gelten als fachkompetente Personen. Der Auftraggeber darf vom Fachplaner erwarten, dass er Geländer in allen Belangen so konstruiert und beschreibt, dass sie auch fehlerfrei, den Normen und Gesetzen entsprechend angeboten und ausgeführt werden können. Wird der Metallbauunternehmer jedoch direkt mit einem Auftrag für Ganzglasgeländer betraut, ist es wichtig, dass er über die geforderten Kenntnisse verfügt.

Statik, Normen und die Glasstärke

Ganzglasgeländer sind sicherheitsrelevante Bauteile, deren statischer Ausbildung besondere Aufmerksamkeit zu schenken ist. Es genügt nicht, sich auf die Herstellerangaben allein abzustützen. Diese sollten zwingend, der aktuellen Situation entsprechend, belegt und kontrolliert werden. Diesbezügliche Anweisungen bietet das neue Merkblatt SIA 2057.
Die absturzsichernden Verglasungen sind im Merkblatt in drei Gruppen aufgeteilt:
Gruppe 1 = Verglasungen, welche die vollen Abschrankungskräfte abtragen müssen.
Gruppe 2 = Verglasungen mit vollen Abschrankungskräften, jedoch lastverteilendem Handlauf.
Gruppe 3 = Geländerausfachungen.
Ein Verbundsicherheitsglas (VSG) ist grundsätzlich bei allen Anwendungssituationen vorgegeben
Tatsache ist, dass Ganzglasgeländer mit einem am Boden geführten Schuhprofil und einer Höhe von 1,0 m nicht mit Verbundsicherheitsglas aus 2 x 10 mm Floatglas und einer PVB-Folie ausgeführt werden können.
Die Robustheit eines Glasgeländers respektive eines Tragelements aus VSG kann durch die Anzahl Glasscheiben, Materialeigenschaften und die Glasart beeinflusst werden. Eine zunehmende Anzahl Glasscheiben bedeutet zunehmende Stabilität, was die Wahrscheinlichkeit eines Totalausfalls des gesamten Bauteils reduziert. Grob brechende Glasarten, wie Floatglas und teilvorgespanntes Glas (TVG), besitzen in der Regel ein günstigeres Verhalten bezüglich Resttragfähigkeit als Einscheibensicherheitsglas (ESG).  

 

«Tatsache ist, dass Ganzglasgeländer mit einem am Boden geführten Schuhprofil und einer Höhe von 1,0 m nicht mit Verbundsicherheitsglas aus 2 x 10 mm Floatglas und einer PVB-Folie ausgeführt werden können.»  

Glasverbund berücksichtigen

Für die statische Berechnung respektive die Festlegung der Glasstärke kann der Glasverbund miteinbezogen werden. Ein Glasverbund kann als lose aufeinanderliegend (ohne Verbund) oder starr verbunden (voller Verbund) betrachtet werden. In Realität verhält sich ein Glasverbund schubweich und damit irgendwo dazwischen. Je besser der Verbund, desto weniger Durchbiegung, was eine geringere Glasstärke erfordert.
Die SIA 2057 lässt zu diesem Thema zwei Berechnungsansätze zu. Ein vereinfachtes Modell mit leicht erhöhten Spannungen (K-VSG = 1,1), jedoch ohne Schubverbund. Beim Verfahren mit Schubverbund muss die Steifigkeit der Folie in Abhängigkeit von der Lasteinwirkungsdauer und Temperatur bekannt sein. Diese Bemessungsmethode ist aufwändiger, jedoch unter dem Strich etwas sportlicher. Es kann dadurch eventuell Glas eingespart werden, was sich speziell bei grösseren Bauvorhaben für den Unternehmer positiv auswirken kann.

Stabilität der Schuhprofile beachten

Wer auf den entsprechenden Plattformen recherchiert, der trifft auf verschiedenste Anbieter von Glasschuhprofilen. Die meisten der angebotenen Systeme sind aus Aluminium hergestellt. Wesentliche Unterschiede findet man in den Bereichen der Eck- und Stossausbildungen, Abdichtungsmöglichkeiten und Verkleidungen. In statischer Hinsicht sind die relevanten Unterschiede in den vorgegebenen Einspanntiefen des Glases zu finden.
Eine tiefe Einspannung reduziert tendenziell die lokalen Spannungen im Glas. Lokale Spannungen entstehen immer im Bereich der Stellschuhe oder Halterungen. Es kann vorkommen, dass aufgrund der Einspannsituation grössere Glasstärken oder vorgespannte Verglasungen eingesetzt werden müssen. Da der lokale Druck auf das Glas mit einer tiefen Einspannung tendenziell geringer wird, hat eine tiefe Einspannung auch einen günstigen Einfluss auf die Verdrehung im Glasschuh und damit auf die Durchbiegung des kompletten Geländers. Eine hohe Grundstabilität des Glasschuhs beeinflusst das Verhalten des Glasgeländers massgeblich. Auch ist zu beachten, dass ein tiefer Glaseinstand nichts hilft, wenn der Glasschuh zu schwach gebaut oder die Verankerung an die Bausubstanz unzureichend ist.

Glas richtig einspannen

Es muss eine Lagerung gewählt werden, die eine ausreichende Einspannung im Glasschuh gewährleistet.
Der wesentlichste Punkt bleibt die gleichmässige, linienförmige, zwängungsfreie, elastische Glaslagerung respektive die Glaseinspannung. Ein Verkeilen direkt am Glas verursacht eine konzentrierte, punktuelle Lagerung – die punktuelle Lasteinleitung ist statisch zu modellieren und nachzuweisen. Die Konstruktion darf selbst bei Einwirkungen von Kälte, Eis oder bei Wärmeausdehnungen keine nachteiligen Veränderungen erfahren. Insbesondere sind aufgrund des VSG-Delaminationsverhaltens Wasser- und Feuchtigkeitseinlagerungen zu verhindern.

Bild: Bernhard FeiglErhöhter punktueller Druck, beispielsweise durch Keile, kann zu Glasschäden führen, wenn diese nicht einwandfrei statisch untersucht werden.
Bild: Bernhard Feigl
Erhöhter punktueller Druck, beispielsweise durch Keile, kann zu Glasschäden führen, wenn diese nicht einwandfrei statisch untersucht werden.

 

Freie Glaskante schützen?

Aus rein technischer Sicht spricht vieles für einen Kantenschutz. Ein filigranes U-Profil beispielsweise schützt die Glaskante vor Schlägen, herabfallenden Teilen und stabilisiert die aneinandergereihten Gläser zusätzlich. Architekten und Bewohner sehen das in vielen Fällen anders, denn ein Glaskantenschutz stört – wenn auch nur minimal – die freie Sicht. Wichtig jedoch ist, dass Bauherrschaften über die Vor- und Nachteile des Kantenschutzprofils informiert werden. Wer Kantenschutzprofile aufsetzt, sollte darauf achten, dass die Profile eine kontrollierte Entwässerung aufweisen. Dies kann beispielsweise mit einer unterbrochenen Silikonfuge erfolgen. Immer wieder wird auch die Frage der Delamination der Verbundfolie zwischen den Glasscheiben thematisiert.
Eine Delamination von VSG kann verschiedene Ursachen haben. Typisch ist eine Wasseraufnahme (hygroskopische Folie) oder eine Weichmacherwanderung. Eine 100-prozentige Sicherheit gibt es nicht. Die Folie reagiert immer mit der Umwelt und mit Kunststoffen. Tendenziell kann gesagt werden, dass weniger hygroskopische Folien besser sind. Ob sich eine geschliffene Glaskante positiv oder negativ auf die unerwünschte Delamination auswirkt und wie weit ein Kantenschutzprofil das Glas vor Delamination schützt, darüber streitet sich die Fachwelt nach wie vor. Ein Kantenschutz verhindert zumindest eine Sichtbarkeit der Delamination über die gewählte Profilhöhe von rund 10–15 mm.

Abdichtung von Geländern auf Flachdächern

Einer der wichtigsten Punkte betreffend Abdichtung von Ganzglasgeländern ist, dass ein Geländerschuhprofil nie unter die Abdichtung geführt werden darf. Es gibt kaum eine Lösung, welche die Dichtheit eines Schuhprofils dauerhaft gewährleistet.
Die wesentlichen zu beachtenden Kriterien sowie entsprechende Lösungsansätze sind in den Technischen Merkblättern TK 005 und TK 007 dokumentiert.  ■

 

Normen, Merkblätter und Richtlinien zu Ganzglasgeländern

Norm SIA 260
Merkblatt SIA 2057
Zu bestellen beim SIA.

Technisches Merkblatt «Risikobeurteilung – Vertikalverglasungen mit Einscheibensicherheitsglas»
Merkblatt TK 007 «Geländer auf Flachdächern».
Merkblatt TK 005 «Dachhautdurchdringungen».
Richtlinie TR 001 «Bemessung von Geländern»
Gratis Download auf www.metaltecsuisse.ch unter Technik / Merkblätter.

 

Das Fachregelwerk Metallbauerhandwerk – Konstruktionstechnik enthält im Kap. 2.38.1 wichtige Informationen zum Thema «Geländer».