Juli 2022
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Komplett zerlegt und neu genietet

Oberflächentechnik / Korrosion

Die eiserne Vorbrücke bildet einen Teil der aus Holz und Eisen bestehenden Brückenkombination, die von Wettingen nach Neuenhof über die Limmat führt. Die Eisenbrücke wurde so nachhaltig wie nur möglich, unter Beibehaltung ihrer ursprünglichen Art und Form, restauriert. Nach einer kompletten Zerlegung und einem Neuaufbau erscheint die von 7500 Nieten zusammengehaltene Stahlkonstruktion in neuem Glanz.


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Die 1887/88 gebaute Brücke wies grosse Korrosionsschäden auf, insbesondere im Bereich des Obergurts.
Die 1887/88 gebaute Brücke wies grosse Korrosionsschäden auf, insbesondere im Bereich des Obergurts.

 

Oberflächentechnik / Korrosion

Komplett zerlegt und neu genietet

Die eiserne Vorbrücke bildet einen Teil der aus Holz und Eisen bestehenden Brückenkombination, die von Wettingen nach Neuenhof über die Limmat führt. Die Eisenbrücke wurde so nachhaltig wie nur möglich, unter Beibehaltung ihrer ursprünglichen Art und Form, restauriert. Nach einer kompletten Zerlegung und einem Neuaufbau erscheint die von 7500 Nieten zusammengehaltene Stahlkonstruktion in neuem Glanz.
Zum Video «Moritz und die Metallbrücke»:  https://www.youtube.com/watch?v=gO0MhYBjIMs

Text: Redaktion / Bilder: Elsbeth Stadelmann

Zwischen Neuenhof und Wettingen führt seit 1819 eine heute denkmalgeschützte Brückenverbindung mit Mittelpfeiler über die Limmat. Die Hauptbrücke auf Seite Neuenhof – aus Holz gebaut – besteht nach entsprechenden Sanierungen noch heute in ihrer ursprünglichen Form. Die damalige Vorbrücke wurde aufgrund von Beschädigungen in den Jahren 1887/88 durch eine genietete, 25 Tonnen wiegende Stahlkonstruktion mit vier fachwerkartig verstärkten Bogentragwerken ersetzt.
Im Jahr 2021 – rund 130 Jahre später – liessen sich an der genieteten Eisenkonstruktion, welche damals aus sogenanntem Flusseisen gebaut wurde, markante Korrosionsschäden feststellen.

 

Starke Spaltkorrosionen

Die Brücke war, wie es die Bilder zeigen, durch Einflüsse von Strassensalz stark korrodiert. Insbesondere Spaltkorrosionen zwischen den durch Nieten verbundenen Stählen machten der Brücke zu schaffen. Das tückische dieser Korrosionsart ist, dass der innere Zerfall nicht sichtbar ist, aber die Konstruktion in statischer Hinsicht unkontrollierbar schwächen kann.
Die verantwortlichen der Bauherrschaft entschieden sich, die Brücke so nachhaltig wie nur möglich zu sanieren. Auf Anraten der Fachspezialisten bedeutete dies, die transportfähige Brücke auszubauen, zu zerlegen, zu ersetzen, was zu ersetzen ist, neu zu vernieten und mit einem dauerhaften Korrosionsschutz zu versehen.

Korrosionen an vielen Stellen. Die Spaltkorrosionen kamen erst bei der Zerlegung richtig zum Vorschein. Spaltkorrosionen generieren auch eine enorme Sprengwirkung.
Korrosionen an vielen Stellen. Die Spaltkorrosionen kamen erst bei der Zerlegung richtig zum Vorschein. Spaltkorrosionen generieren auch eine enorme Sprengwirkung.

 

Komplette Zerlegung angesagt

Zu den erwähnten Fachspezialisten gehörte auch der renommierte Schmied Moritz Häberling, bekannt für verschiedenste Neu- und Restaurationsarbeiten von Stahlwerken. Häberling wurde bereits sehr früh, auch zur Entnahme von Bauteilproben, beigezogen.
«Aufgrund meiner Erkenntnisse aus den entsprechenden Prüfungen sowie der Tatsache, dass die Brücke von der Grösse her transportabel war, gab es aus meiner Sicht nur einen Weg, die Brücke nachhaltig zu restaurieren», erklärt der mit der Instandstellung beauftragte Moritz Häberling gegenüber der «metall» und fügt an: «Eine komplette Zerlegung war unumgänglich, denn der Rostfrass war zum Teil enorm fortgeschritten. Speziell war dieser auch bei den für die statischen Verbindungen verantwortlichen Nieten zu finden und die Gefahr, dass sich die Korrosion weiter entwickelt oder die Spaltkorrosionen zu starken Sprengwirkungen führen, war gegeben.»

Das Lösen der Nieten erwies sich als wahre Knochenarbeit.
Das Lösen der Nieten erwies sich als wahre Knochenarbeit.

 

 

So erfolgte der Ausbau der 20 m langen, 5,6 m breiten und 4,0 m hohen Bogenbrücke, die mit einem speziellen Nachttransport zur Zerlegung auf den Vorplatz des beteiligten Sandstrahlwerks gebracht wurde.
«Glücklicherweise konnte uns die Bauherrschaft noch einzelne Pläne der Brücke zur Verfügung stellen», sagt Moritz Häberling, «so erarbeiteten wir ein System, das es uns auf einfache Weise ermöglichte, sämtliche Teile zu positionieren und entsprechend zuzuordnen.»

Systematische Lösung der Nieten

Die Zerlegung des Fachwerks erfolgte durch systematische Lösung der rund 7500 Nieten von 19 mm Durchmesser. Hierfür wurden, Niete für Niete, zuerst die Köpfe eingeschnitten respektive abgetrennt. Dann erfolgte das Auswerfen mit einem Durchschlag. Dieser Vorgang jedoch erwies sich aufgrund der starken Korrosion und des Lochversatzes als sehr aufwendig und erforderte viele weitere Instrumente und Tricks.
Die komplette Zerlegung brachte es unbeschönigt an den Tag. Rund vier Tonnen Einzelteile waren kurz vor dem Zerfall oder so stark zerfressen, dass sie unbestritten zu ersetzen waren. Die restlichen Teile wurden sandgestrahlt und dann nochmals durch Sichtkontrolle auf Korrosionsschäden geprüft. Einzelne weitere Teile mussten ebenfalls ersetzt werden. Der grosse Teil jedoch, der hauptsächlich dem Brückenunterteil zuzuordnen war, konnte wiederverwendet werden.
Die zu ersetzenden Teile, welche hauptsächlich aus Flachblechen und Winkelprofilen bestanden, sind aufgrund der 1:1-Vorlgen aus Baustahl S235 neu hergestellt worden. Anschliessend erfolgte die Oberflächenbehandlung von neu- und wiederverwendeten Teilen durch Sandstrahlung, Spritzverzinkung, Epoxy-Grundierung und Epoxy-Eisenglimmer-Deckbeschichtung.
 

Die restaurierten Profile beim hydraulischen Zusammennieten.
Die restaurierten Profile beim hydraulischen Zusammennieten.

 

Das Nieten – eine Technik für sich

Wer sich in Europa nach Unternehmern umschaut, die das Warmnieten von Stahl beherrschen, wird nur schwer fündig. Dies ist eine weitere Fachkompetenz, die Moritz Häberling und sein Team auszeichnet.
Für die Neuvernietung der Brücke liess sich der Unternehmer etwas Besonderes einfallen und überzeugte damit seine Auftraggeber bereits im Zuge der Offertstellung mit besten Ergebnissen der Testnietungen, welche zu Überprüfungszwecken auch aufgeschnitten wurden. «Wichtig dabei ist», so Moritz Häberling, «dass auch der 0,5 mm breite Spalt zwischen Nietschaft (Durchmesser 19 mm) und Nietloch (Durchmesser 20 mm) perfekt ausgefüllt ist. Hierfür hatten wir die optimale Nietlänge in mehreren Versuchen genau eruiert.» 
Zum Setzen von Warmnieten braucht es einen Nietdöpper und eine Nietpresse. Beides entwickelte und erstellte Moritz Häberling selber, speziell für dieses Objekt. Bei der Nietpresse setzte er auf Hydraulik, denn wichtig ist, dass die Vernietung schnell geht und der Nietvorgang abgeschlossen ist, solange der Niet noch glüht.
Für die Herstellung und den Verbau der rund 7500 Halbrundkopf-Nieten vertraute Häberling auf die Induktionstechnik. Mit dieser lässt sich auch massivster Stahl innert wenigen Sekunden in den glühenden Zustand versetzen. So gelang es, einerseits die Nieten serienmässig herzustellen und andererseits diese auch rationell und präzise am Objekt zu verbauen.
Wesentlich und einzigartig bei der Heissvernietung ist auch, dass trotz der grossen Wärme die Farbe im Nietloch nicht beschädigt wird und ihre volle Korrosions-Schutzwirkung aufrechterhält. Im Anschluss an die Vernietungen erfolgte im Nietbereich eine Reinigung mit der Drahtbürste, dann folgte entsprechend allen anderen Bauteilen eine Ergänzung der Epoxy-Grundierung und Deckbeschichtung.

Ein bestens gelungenes Werk: Der Bogenträger beispielsweise kommt mit seiner Form einem heutigen INP-Träger nahe, ist jedoch aus Winkel- und Flachprofilen zusammengebaut.
Ein bestens gelungenes Werk: Der Bogenträger beispielsweise kommt mit seiner Form einem heutigen INP-Träger nahe, ist jedoch aus Winkel- und Flachprofilen zusammengebaut.

 

Rund 7500 Nieten halten das Konstrukt zusammen.
Rund 7500 Nieten halten das Konstrukt zusammen.

 

Zusammenbau und Montage

Der Zusammenbau erfolgte in entgegengesetzter Richtung der Zerlegung. Auf einem nahe gelegenen Industrieareal wurden zuerst die Hauptteile, insbesondere die Brückenbögen mit ihren Längsträgern, aufgerichtet und über Sekundärteile verbunden. Darauf folgte der Verbau aller fachwerkartigen Verstrebungen. Zu erwähnen ist, dass bei diesen Konstruktionen aus dem Jahr 1887 noch keine T- Profile oder gar INP-Träger erhältlich waren und die statischen Formen aus zusammengenieteten Winkel- und Flachprofilen gebaut wurden.

Sichtlich zufrieden mit der bestens gelungenen Restauration: Moritz Häberling erwartet gespannt den Transport nach Wettingen.
Sichtlich zufrieden mit der bestens gelungenen Restauration: Moritz Häberling erwartet gespannt den Transport nach Wettingen.

 


Im Vorfeld der Montage wurden die ebenfalls sanierten Widerlager vor Ort eingesetzt und befestigt. Für den sicheren und deformationsfreien Transport nach Wettingen konstruiertne Moritz Häberling und sein Team eine spezielle Aussteifungskonstruktion, die sich nach der sicheren Platzierung der Brücke einfach entfernen liess.    ■

Die frisch restaurierte Brückenkonstruktion wird an ihren Zielort einige Meter über der Limmat gehievt.
Die frisch restaurierte Brückenkonstruktion wird an ihren Zielort einige Meter über der Limmat gehievt.

 

 

Absetzung mit dem Kran auf Gleit- und Widerlager.
Absetzung mit dem Kran auf Gleit- und Widerlager.

 

 

Die Beteiligten stossen auf das bestens gelungene Projekt an. Zweiter von rechts: Moritz Häberling. Die provisorische Unterbrücke schützt vor Absturz.
Die Beteiligten stossen auf das bestens gelungene Projekt an. Zweiter von rechts: Moritz Häberling. Die provisorische Unterbrücke schützt vor Absturz.

 

Bautafel 

Bauherrschaft:

Einwohnergemeinden Wettingen und Neuenhof

Gesamtplaner / Bauleitung:

Staubli, Kurath & Partner, Zürich

Denkmalpflegerische Begleitung:

Heiko Dobler, kantonale Denkmalpflege

Cornel Doswald, Fachberater IVS

Metallarbeiten:

Moritz Häberling, Uerzlikon

Das Fachregelwerk Metallbauerhandwerk – Konstruktionstechnik enthält im Kap. 1.4 wichtige Informationen zum Thema «Statik und Konstruktion».