August 2024
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Im Tessin geplante Fussgängerbrücke

Die «Voie des Papes»

Die Fussgängerbrücke «Voie des Papes», die am 11. Februar 2023 im Beisein von lokalen Vertretern der Politik offiziell eröffnet wurde, ist Teil eines grösseren und ehrgeizigen Projekts für den Langsamverkehr, mit dem auf einer Gesamtlänge von 815 km Grünrouten bereitgestellt werden sollen. Die Brücke zeichnet sich aus durch eine ausgeklügelte Konstruktion mit einem einzigen tragenden Pylonen.


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Gebogene HEB-Träger bilden den Aussen- und den Innenreif. Die Gehfläche ist mit Gitterrosten eingedeckt.
Gebogene HEB-Träger bilden den Aussen- und den Innenreif. Die Gehfläche ist mit Gitterrosten eingedeckt.

 

Die «Voie des Papes»

Im Tessin geplante Fussgängerbrücke

Die Fussgängerbrücke «Voie des Papes», die am 11. Februar 2023 im Beisein von lokalen Vertretern der Politik offiziell eröffnet wurde, ist Teil eines grösseren und ehrgeizigen Projekts für den Langsamverkehr, mit dem auf einer Gesamtlänge von 815 km Grünrouten bereitgestellt werden sollen. Die Brücke zeichnet sich aus durch eine ausgeklügelte Konstruktion mit einem einzigen tragenden Pylonen.

Text:  Ing. Jurij Patocchi | Patocchi Engineering Sagl, Cevio
und Ing. Antonio Paronesso | AR&PA Engineering Sagl, Pregassona, Barbara Soer | AM Suisse Ticino, Gordola / Bilder: Barbara Soer | AM Suisse Ticino, Gordola

Der antike Papstpalast in Sorgues war die erste Papstresidenz, die in der Zeit des avignonesischen Papsttums in der Nähe von Avignon gebaut wurde. Das vom französischen Papst Johannes XXII. gewollte aufwändige Bauwerk wurde 18 Jahre vor dem Papstpalast in Avignon errichtet und diente als Modell für die Kardinalspaläste, die später ebenfalls in Avignon gebaut wurden. Papst Johannes XXII. wollte in Avignon seine eigenen Münzen prägen lassen, was ihm aber nicht gelang, da die Stadt Sitz der Grafschaft Provence war, die ihm nicht gehörte. Doch in Sorgues gelang ihm sein Vorhaben, da das Gebiet dank des Vertrags von Meaux-Paris in päpstliches Besitztum gelangte und während des Pontifikats seines Vorgängers Papst Clemens V. zur Grafschaft erhoben wurde. Von der Münzstätte, die sich am linken Ufer der Ouvèze (früher als Sorgue bezeichnet) befand, sind heute nur Ruinen erhalten geblieben, da das Gebäude während der Französischen Revolution zerstört wurde, um die Steine als Baumaterial zu gewinnen.

 

Mit dem Fahrrad vom Genfersee bis zum Mittelmeer

Die neue, von Ing. Jurij Patocchi und Ing. Antonio Paronesso im Tessin entworfene und geplante Fussgängerbrücke ist Teil der Route ViaRhôna, vom Genfersee zum Mittelmeer. Diese internationale Note passt gut zu dem ehrgeizigen und interessanten Projekt für den Langsamverkehr. Die Route ViaRhôna, zu der auch die Fussgängerbrücke gehört, bietet die Möglichkeit, mit dem Fahrrad von den Ufern des Genfersees an der Rhone entlang bis zu den Stränden des Mittelmeers zu fahren, und ist mit ihrer 815 km langen Strecke, die durch wunderschöne Landschaften führt, einer der längsten Radwege Europas. Die Route führt von den malerischen Alpen bis zu den Stränden der Camargue durch pittoreske Landschaften, wie zum Beispiel die Weinberge der Côtes du Rhône und der südlichen Provence mit ihren kleinen Bergdörfern, Lavendelfeldern und Olivenhainen, die fantastische weingastronomische Erlebnisse versprechen. Die ViaRhôna möchte eine kulturelle Route im wahrsten Sinne des Wortes sein: Überall stösst man auf Spuren der Jahrtausende alten Geschichte, und sichere Grünroutenabschnitte wechseln sich mit geteilten Strecken ab. Die Fussgängerbrücke «Voie des Papes» verbindet die Altstadt von Sorgues über eine 4,5 km lange Grünroute mit der Insel Oiselay. Für die Zukunft ist geplant, die Route für den Langsamverkehr bis zur Insel Barthelasse in Avignon zu erweitern und diesen Streckenabschnitt dann in die Route der ViaRhôna zu integrieren.  

Der Name der 75 m langen Fussgängerbrücke «Voie des Papes» ist eine Hommage an den ersten Papstpalast, der in der Zeit von 1317 bis 1324 in Sorgues erbaut wurde.
Der Name der 75 m langen Fussgängerbrücke «Voie des Papes» ist eine Hommage an den ersten Papstpalast, der in der Zeit von 1317 bis 1324 in Sorgues erbaut wurde.

 

Das Projektteam

Als «ein perfekt gelungenes Kunstwerk» bezeichnete Thierry Lagneau, Bürgermeister von Sorgues, die Fussgängerbrücke bei der Einweihung. Tatsächlich stellt dieses Bauwerk nicht nur ein bedeutendes Puzzleteil einer so langen Route wie der ViaRhôna dar. Es hat auch den Anspruch, ein Symbol für die gesamte Gemeinschaft zu sein, das in der Lage ist, den ökologischen Wandel zu begleiten; denn dieser ist heute Dreh- und Angelpunkt einer lokalen Politik, die sich das Thema der Nachhaltigkeit ans Revers heftet.
Die Planung des Bauwerks musste daher nicht nur den technischen Herausforderungen gerecht werden, sondern auch der ihm zukommenden repräsentativen Bedeutung. Die Miteinbeziehung der Ingenieurbüros Patocchi Engineering Sagl und AR&PA Engineering Sagl, beide mit Sitz im Tessin, war kein Zufall, da sich die Ingenieurbüros international mit gemeinsamen Projekten einen Namen gemacht haben, die ausserhalb der Landesgrenzen umgesetzt wurden. Dank seiner Kompetenz und seinem Fachwissen gewann das Team den für die Fussgängerbrücke ausgeschriebenen Wettbewerb, sodass 2019 mit der Planung und 2021 mit dem Bau begonnen wurde. Die Brücke wurde 2022 fertiggestellt und im Februar 2023 offiziell eröffnet. Eine Fussgängerbrücke, komplett aus Stahl gebaut und durch ihre geschwungene und das besondere Design bestimmende Kurve charakterisiert – dies ist nicht allein das Ergebnis einer stilistischen Entscheidung, sondern ist auch durch die Geländeform und den geringen verfügbaren Platz bedingt, welcher wiederum von einem bereits vorhandenen Rad- und Fussweg und der Geografie vor Ort vorgegeben war.
Die Kurvenform der Fussgängerbrücke ermöglichte es, die Konstruktion zu verlängern und damit die vom Jahrhunderthochwasser vorgegebene Mindesthöhe zu überschreiten und gleichzeitig die sanften Steigungen beizubehalten, die von den Benutzern problemlos bewältigt werden können.

Detailansicht des Kopfs des Pylonen mit den Befestigungen der Gabeln der Zugseile und Zugstangen.
Detailansicht des Kopfs des Pylonen mit den Befestigungen der Gabeln der Zugseile und Zugstangen.

 

«Die Kurvenform der Fussgängerbrücke ermöglichte es, die Konstruktion zu verlängern und damit die vom Jahrhunderthochwasser vorgegebene Mindesthöhe zu überschreiten.»  

Bau der Brücke

Die Brücke ist eine ausgeklügelte Konstruktion mit einem einzigen tragenden Pylonen, der an der Rückseite mit zwei parallelen Zugstangen stabilisiert ist und an dem die zwölf Stahlseile verankert sind, an denen wiederum die Lauffläche abgehängt ist. Durch diese abgehängte Form ist die Fussgängerbrücke sehr stabil und unterliegt keinen Schwingungen. Dies war eine Grundvoraussetzung für ein Bauwerk, das in ein Stadtgebiet integriert wurde, in dem die Anforderungen an den Nutzungskomfort sehr hoch sind; dank einer umfassenden und komplexen Analyse der Dynamik konnte diese Voraussetzung erfüllt werden.
Die Planung des Bauwerks war mit einem beachtlichen Aufwand verbunden, da sie zunächst die Einarbeitung in die in Frankreich geltenden Vorschriften und Verfahren erforderte, und anschliessend die Erstellung und Präsentation von statischen und dynamischen Berechnungen, die Vornahme verschiedener vom Auftraggeber verlangter Kontrollen, die Ausführung von technischen Zeichnungen und Werkzeichnungen – welche aufgrund der charakteristischen Form des Bauwerks besonders komplex waren – sowie die Planung der Montage in Phasen mit den entsprechenden statischen Berechnungen.

Als Geländerfüllung kam ein Webnet zur Anwendung.
Als Geländerfüllung kam ein Webnet zur Anwendung.


Als sehr schwierig und aufwändig hat sich auch die Phase der Baubegleitung vor Ort erwiesen. Mit dem Bau wurde ein Bauunternehmen beauftragt, das seiner Aufgabe nicht immer gewachsen war, was eine konstante Vermittlung aus ingenieurtechnischer Sicht erforderlich machte.
Trotz einiger Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Projekts, die wie gesagt hauptsächlich in der Bauphase aufgetreten sind, wurde die Fussgängerbrücke zur vollen Zufriedenheit des Auftraggebers fertiggestellt und der Stadt übergeben. Die Konstruktion ist sehr nüchtern und minimalistisch, jedes Element der Brücke erfüllt eine präzise Aufgabe, vorgegeben von der Funktion, der Statik und der Dauerhaftigkeit des Elements.   ■

 

Bautafel 

O bjekt:

Voie des Papes, Sorgues (F)

Bauherrschaft:

SPL Territoire Vaucluse l Avignon

Projektteam:

Patocchi Engineering Sagl | Cevio

AR&PA Engineering Sagl l Pregassona

 

Technische Daten

Brückentyp : Hängebrücke

Belag der Lauffläche : Engmaschiger Gitterrost, rutschhemmend

Länge der Brücke: 75 m

Breite der Lauffläche: 3 m

Höhe des Pylonen: 16,9 m

Gesamtgewicht Stahl: 39 t

Geländer: Maschendraht aus Edelstahl