Harmonisierung – was bedeutet das in diesem Fall?
Harmonisierung ist die Aktion, Dinge oder Verhältnisse aneinander anzupassen – so die Bedeutung dieses schönen, wohlklingenden Wortes.
Ist ein Bauprodukt von einer bezeichneten harmonisierten technischen Norm erfasst oder ist für ein Bauprodukt eine Europäische Technische Bewertung (ETB) ausgestellt worden, so darf es nur in Verkehr gebracht oder auf dem Markt bereitgestellt werden, wenn die Herstellerin eine Leistungserklärung für das Produkt erstellt hat. (zit. Bauproduktegesetz vom 21. März 2014).
Bekannte harmonisierte Normen unserer Branche sind die Norm für Stahl- und Aluminiumtragwerke SN EN 1090 sowie für den Brandschutz die SN EN 16034. Die SN EN 1090 ist schon seit längerer Zeit harmonisiert und verpflichtend in Kraft gesetzt worden. Bei der Brandschutznorm SN EN 16034 jedoch besteht seit ihrer Inkraftsetzung am 1. November 2019 eine Diskrepanz zwischen den Produktenormen.
Für Aussentüren ist nach der harmonisierten Produktenorm SN EN 14351-1 seit dem 1. November 2019 verpflichtend eine Leistungserklärung zu erstellen. Und für Innentüren? Hier liegt die Harmonisierung der Produktenorm SN EN 14351-2 seit längerer Zeit auf Eis. Gemäss der Europäischen Kommission stimmt die Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit nicht mit der aktuellen Entscheidung der Kommission überein. Anscheinend beschreibt die Norm neben den wesentlichen noch zusätzliche Merkmale. Dieser Umstand steht anscheinend im Widerspruch zu den jüngsten Urteilen des Gerichtshofs der Europäischen Union. Die Norm enthält neue Klassen, wie zum Beispiel die Luftdurchlässigkeit. Dies ist jedoch unzulässig, solange diese neuen Klassen nicht mit Hilfe eines delegierten Aktes in den Geltungsbereich der Bauproduktegesetzgebung eingegliedert wurden. Weiter enthält die Norm undatierte Verweise auf andere Normen, die mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit nicht vereinbar sind. Harmonisierte Produktenormen sind über die Bauproduktegesetzgebung mit dem europäischen Rechtssystem verknüpft und müssen deshalb formalen, juristischen Anforderungen gerecht werden. Aus diesen Gründen wird die Produktenorm EN 14351-2 bis auf weiteres nicht im Amtsblatt der Europäischen Union zitiert.
Diese Begründung mag aus Sicht der Europäischen Kommission und ihrer Juristen schlüssig sein, aus Unternehmersicht ist sie unverständlich, weil die Grundlagen, auf die sich die Begründung stützt, nicht rechtzeitig – bzw. überhaupt nicht eindeutig – kommuniziert wurden. Derzeit rechnet man mit einem jahrelangen Prozess bis zur Harmonisierung der Produktenorm SN EN 14351-2 für Innentüren.
Fazit: Mit dem wohlklingenden Wort «Harmonisierung» hat diese Angelegenheit wohl nichts mehr zu tun. Eher stellt sich die Frage, ob hier nicht eine gewisse juristische Arroganz mitspielt. Leidtragende dieser Diskrepanz sind Planer, Unternehmer und Bauherrschaften gleichermassen.
Ich wünsche Ihnen eine spannende und informative Lektüre.
Oliver Däschler
Präsident Technische Kommission Metaltec Suisse ■