Facetten und Edelstahl für die Balkone
Erweiterter Wohnraum
An diesem 15- geschossigen Wohnhaus in Genf sind während zwei Jahren für acht Balkontürme und zwei Nischenbalkone rund 90 Tonnen Edelstahl verbaut worden. Spezielle Balkonformen, der Anspruch an Transparenz und nicht zu unterschätzende Windlasten erforderten vom beauftragten Metallbauunternehmen viel Entwicklungsarbeit und Innovationsgeist.
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Erweiterter Wohnraum
Facetten und Edelstahl für die Balkone
An diesem 15- geschossigen Wohnhaus in Genf sind während zwei Jahren für acht Balkontürme und zwei Nischenbalkone rund 90 Tonnen Edelstahl verbaut worden. Spezielle Balkonformen, der Anspruch an Transparenz und nicht zu unterschätzende Windlasten erforderten vom beauftragten Metallbauunternehmen viel Entwicklungsarbeit und Innovationsgeist.
Je nach Lichteinfall und Tageszeit wirken sie unterschiedlich, die neuen, facettenreich ausgebildeten und verglasten Balkone am über 50 m hohen Wohngebäude. Manchmal schlicht, manchmal matt, manchmal aber glänzend wie ein Brillant im Sonnenlicht. Was jedoch immer zu erkennen ist: die Tatsache, dass hier optische und technische Ziele mit dem Innovationsgeist des Architekturbüros NOMOS Groupement d’Architectes SA, Genf, erreicht wurden.
Rund zwei Kilometer westlich vom Zentrum der Stadt Genf und drei Kilometer südlich vom Flughafen liegt das Wohnquartier Cité Vieusseux. Ein klassisches, der City vorgelagertes Wohnquartier mit vielen mehrgeschossigen Wohnbauten. Nicht zu übersehen ist der 15-geschossige Wohnkomplex mit seiner olivgrünen Fassade.
Das in zwei vertikal getrennte Wohneinheiten gegliederte Gebäude präsentiert sich heute in einem frischen Kleid. Während der vergangenen zwei Jahre wurde unter der Leitung von NSER-Büros, das für die Betriebsleitung zuständig ist, etappenweise die gesamte Fassade erneuert. Parallel zu einem neuen Isolationsaufbau und Fenstern wurden die Balkone zum Teil gegen aussen erweitert und mit beweglichen Verglasungen bestückt. Da, wo vorher einfache, in die Jahre gekommene Balkone mit grauen Betonbrüstungen zu sehen waren, manifestieren sich heute von unten bis oben durchlaufende, edel wirkende Glas- und Metalleinheiten. Eine von der SCHG (Eigentümerin und Verwalterin) gewünschte und von den Bewohnern der Genossenschaft sehr geschätzte Verbesserungen.
Zwei unterschiedliche Balkontypen
Wer beim Betrachten des Gebäudes etwas Abstand nimmt, erkennt zwei unterschiedliche Typen von Balkonkonstruktionen. Acht Balkontürme weisen je zwei Eckausbildungen auf und sind frontseitig facettenreich ausgebildet. Zwei weitere Balkontürme – die eigentlich keine Türme sind – erkennt man daran, dass sie komplett in die Gebäudenische gesetzt sind. Etwas jedoch haben sie gemeinsam: Jeder einzelne Balkon ist zu einem angenehmen Wintergarten geworden und schafft den Bewohnern erweiterten Wohnraum während mindestens neun Monaten im Jahr. Die allseitig zu öffnenden, hochtransparenten Verglasungen schützen vor Wind und Wetter und – wie eine Bewohnerin begeistert erklärt – absorbieren auch den Fluglärm der startenden und landenden Flugzeuge beträchtlich. Sollte die Sonneneinstrahlung einmal zu intensiv sein, lässt sich diesem Phänomen durch Zuziehen der innen angebrachten textilen Vorhänge effizient entgegenwirken.
Für die Entwicklung, Statik, Planung, Herstellung, Logistik und Montage der gesamten aus Edelstahl ausgeführten Balkoneinheiten war AAV Contractors SA in Plan-les-Ouates, nahe bei Genf, beauftragt. Für diesen Auftrag hatte die Metallbau-Unternehmung während zwei Jahren in drei Etappen rund 90 Tonnen Edelstahl verbaut.
«Eine der grossen Herausforderungen für unser Team lag in der technischen Entwicklung dieser Balkonanlagen», erklärt Xavier Mouton, Projektleiter bei AAV Contractors SA, anlässlich der Objektbegehung. «Bei einem Objekt mit 150 Balkoneinheiten muss verständlicherweise ganz anders gedacht und gehandelt werden als beispielsweise bei einem Objekt mit drei Einheiten. Neben technisch optimalen Lösungen spielten die Ausreizung der Materialien, die schlanke Produktion, die möglichst grosse Repetition von Details, die Logistik und vieles mehr eine entscheidende Rolle».
Balkontürme mit Facetten
Wie bereits erwähnt, sind acht 15-geschossige Balkontürme mit jeweils unterschiedlichen Winkeln ausgeführt. Diese wiederum lassen sich aufgrund ihrer Abmessungen in drei Typen (A, B, C) unterscheiden. Die Betonbrüstungen von rund 120 mm wurden abgetrennt und der Balkonboden mit einer neuen Konstruktion um rund 500 mm nach aussen erweitert. Nach dem Abtrennen der Balkone kamen spezielle, aus Metall hergestellte Lehren für die Betonarbeiten zur Anwendung. Diese sind geschossweise mit 500 mm Abstand zur Betonkante fixiert worden. Dann wurden Halfenschienen integriert und nach dem Betonieren und Verlegen der Unterkonstruktionen eine Schicht Steinwolle angebracht. Anschliessend wurden die erwähnten Lehren geschossweise weiterverwendet.
Die neue Bodenbrüstung, die frontseitig gewellt ist, gilt hier als zentrales Element und besteht aus einem aussen zeichnenden Edelstahlblech von 6 mm Dicke und 400 mm Höhe mit walzblanker Oberfläche. Auf der Innenseite daran angeschweisst sind durchlaufende Edelstahl-Auflagebleche für die Abstellung und Befestigung der Verglasungen sowie Tragbleche für die Ausbildung der im Boden integrierten Wasserrinne.
Die Befestigung erfolgte durch Verschraubung über einzelne Konsolen auf die in der Betonstirne eingelegte Halfenschine. Auch die Auslaufspeier für die Entwässerung sind in diesem Blech eingesetzt.
«Eine spezielle Herausforderung bildete sich, als wir bei den Massaufnahmen feststellten, dass sich die bestehenden Bodenflächen in den Höhen um bis zu 80 mm unterschieden. Diese Toleranzen galt es durch Ausoptimierung der Konstruktionen aufzunehmen», so Xavier Mouton auf die entsprechenden Fragen.
Edelstahlgeländer
Speziell und nicht alltäglich sind auch die ausserhalb der Verglasungen angeordneten Geländer. Für die Gestaltung der Balkone und die optische Wirkung nehmen sie eine wichtige Rolle ein. Sie sind komplett mit dem Brüstungsblech verschweisst und bestehen aus vertikalen Staketen und horizontalem Handlauf. Für die Staketen kam ein geschliffenes Edelstahlrohr von 60 x 10 mm und für den Handlauf ein geschliffenes Edelstahl-Flachprofil von 90 x 10 mm zur Anwendung.
Von aussen zeichnen die Geländer ab Oberkante Brüstungsblech mit einer Höhe von 1020 mm. Auf der Innenseite bieten sie den Bewohnern jedoch eine Brüstungshöhe von mehr als 1100 mm ab fertigem Boden.
Verglasung
Die Balkonverglasungen bestehen aus je neun Ganzglas-Drehflügeln. Diese können je nach Bedarf, mit einfachen Handgriffen geöffnet und auch geschlossen werden. Um die geforderte permanente Belüftung – die vom Bauphysiker vorgegeben war – einzuhalten, sind die Verglasungen unten, seitlich und oben mit Distanzen von rund 60 mm zum Baukörper platziert. Auch zwischen den einzelnen Glasscheiben sind Distanzen von 20 mm berücksichtigt. Aufgrund der zu erwartenden Windkräfte entschieden sich die Verantwortlichen nicht wie üblich für 12 mm Glasstärke, sondern für 15 mm. Dies hatte zu Folge, dass auf dem Markt keine passenden Schienen- und Beschlägesysteme zu finden waren und diese Komponenten in Edelstahl speziell entwickelt und hergestellt werden mussten. Hierfür bildete AAV Contractors SA mit der Aweso AG für die Herstellung der Komponenten eine Zusammenarbeit.
Ein besonderes Merkmal, das die Dreh- und Verschlussbeschläge auszeichnet, ist die Verhinderung von Klappergeräuschen. So entwickelte AAV Contractors SA beispielsweise einen speziellen Stangenverschluss dessen Luftspiel so neutralisiert wird, dass keine Klappergeräusche entstehen können.
Nischenbalkone
Im selben Stil wie die Balkontürme sind auch die Nischenbalkone mit 30 Einheiten gebaut. Jedoch ist die Unterkonstruktion direkt auf der Betonstirne befestigt. Das Bodenbrüstungsblech und das Geländer sind ebenfalls sehr ähnlich, aber geradlinig und nicht gewellt.
Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass hier für die Verglasung Dreh-Schiebe-Flügel zur Anwendung kamen. Das System ist eine objektspezifische Anpassung des bewährten Aweso Panorama Easy Flex 370 A Confirmer. Die Weiterentwicklungen wurden von AAV Contractors SA vorgenommen, die Herstellung der Komponenten durch Aweso.
Montageablauf genau geplant
Im Zuge der Entwicklung wurde im Werk ein Balkon als Prototyp gebaut. Dies ermöglichte die Überprüfung aller wichtigen Details und bot der Bauherrschaft die Möglichkeit einer massstabgetreuen Besichtigung und Beurteilung. Aufgrund dieses Prototyps ergaben sich auch verschiedene Erkenntnisse, die in die Produktion und die Montage einflossen.
Die Montage erfolgte – wie erwähnt – etappenweise. Grundlage hierfür bildete eine von AAV Contractors SA erarbeitete und alle Handwerker einbeziehende Ablaufplanung.
Nach dem Schneiden des Betons wurde die Lehre für die Betonierung gesetzt. Dies erfolgte jeweils von unten nach oben. Nach den Betonierarbeiten folgte die Montage der Brüstungsbleche mit den Geländern. Anschliessend kamen andere Handwerker wie Fensterbauer und Bodenleger zum Zug. Dann folgte der Einsatz der Verglaungen von oben nach unten. Sämtliche Montagearbeiten erfolgten vom Gerüst aus. Für den Vertikaltransport standen zwei Gerüstlifte zur Verfügung.
Die SCHG, Eigentümerin und Verwalterin des Gebäudes, war auch daran interessiert, ihre Mitglieder während der Arbeiten zu unterstützen, insbesondere durch die Organisation eines monatlichen Informationsfrühstücks und durch die Berücksichtigung der Belästigungen, die durch diese gross angelegten Renovierungsarbeiten verursacht wurden. Genug, um dieses Projekt sowohl technisch als auch auf menschlicher Ebene zum Erfolg zu machen. ■
Bautafel
Objekt:
Mehrfamilienhaus Genf
Bauherrschaft:
Société Coopérative d’Habitation Genève (SCHG), Genf
Architekt:
NOMOS Groupement d’Architectes SA, Genf
Metallbauer:
AAV Contractors SA, Plan-les-Ouates
Glasbeschläge:
Aweso AG, Wetzikon