Oktober 2022
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Ein Bauwerk für die Mobilität

Fenster, Türen, Tore

Die Umnutzung des Citroën-Gebäudes stand unter der Prämisse «Bewahren und Ergänzen». Dabei ist es gar nicht so einfach auszumachen, welche Gebäudeteile erhalten und welche nun erst hinzugefügt wurden. Zu Letzteren zählen eine vollständig verglaste Pfosten-Riegel-Konstruktion aus im Grundriss gebogenen Stahlprofilen sowie ein nach oben schwenkendes Tor in der Erdgeschossfassade.


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Die Schnittstelle zwischen Alt- und Neubau markiert ein neuer Eingang mit einem rundum verglasten Treppenhaus aus im Grundriss gebogenen Stahlprofilen VISS SG.
Die Schnittstelle zwischen Alt- und Neubau markiert ein neuer Eingang mit einem rundum verglasten Treppenhaus aus im Grundriss gebogenen Stahlprofilen VISS SG.

 

Fenster, Türen, Tore

Ein Bauwerk für die Mobilität

Die Umnutzung des Citroën-Gebäudes stand unter der Prämisse «Bewahren und Ergänzen». Dabei ist es gar nicht so einfach auszumachen, welche Gebäudeteile erhalten und welche nun erst hinzugefügt wurden. Zu Letzteren zählen eine vollständig verglaste Pfosten-Riegel-Konstruktion aus im Grundriss gebogenen Stahlprofilen sowie ein nach oben schwenkendes Tor in der Erdgeschossfassade.

Text: Anne Marie Ring / Bilder: Joep Jacobs für Jansen AG

Das südliche Citroën-Gebäude wurde 1931 nach dem Entwurf des niederländischen Architekten Jan Wils als Werkstatt, Lager, Büro und Ausstellungsraum für den französischen Autobauer errichtet. Wils hatte zuvor schon das angrenzende Stadion für die Olympischen Spiele 1928 realisiert. Viele Jahre später, 1959, baute er für Citroën ein weiteres Gebäude auf der gegenüberliegenden Strassenseite, das sogenannte Nordgebäude. Die beiden Bauwerke, der dazwischenliegende Stadionsplatz und das Stadion bilden ein einzigartiges städtebauliches Ensemble, das in seiner Grundstruktur bis heute erhalten blieb. Seit 2015 wurden bzw. werden Modernisierung und Umnutzung der beiden Citroën-Gebäude betrieben; für das Südgebäude zeichnen BiermanHenket Architekten verantwortlich, in Zusammenarbeit mit QuA Associates für den Innenausbau und Bronsvoort Blaak Architects für die technischen Installationen.

 


Kleinformatige Fensteröffnungen wiederhergestellt

Klare Linien, weisse Fassaden und gerundete Ecken charakterisierten Wils’ modernistischen Entwurf aus den 1930er-Jahren; die stilistische Anlehnung an die Architektur von Frank Lloyd Wright ist unverkennbar. Vieles davon verschwand bei einer Renovierung in den 1980er-Jahren, als man das Gebäude entkernte und zu einem Mehrzweckgebäude umfunktionierte; unter anderem wurden die zahlreichen Sprossenfenster durch meterlange Fensterbänder ersetzt. Diese Verfälschung des Wils’schen Entwurfs wollte man bei der jetzigen Sanierung rückgängig machen. Deshalb wurden die kleinformatigen Fensteröffnungen in der Mauerwerksfassade wiederhergestellt und mit feinen Sprossenfenstern aus dem Stahlsystem Janisol Arte 2.0 geschlossen. Nach dem Anstrich mit weisser Mineralfarbe zeigt der Altbestand sein originales Erscheinungsbild. Ein grosser Teil der Bausubstanz erwies sich jedoch als nicht sanierungsfähig, wurde abgerissen und in Anlehnung an Wils’ Formensprache neu aufgebaut – wenn auch, dem heutigen Zeitgeist entsprechend, um einiges transparenter: Zentraler Bereich des Neubaus ist ein grosser Veranstaltungsraum unter einem riesigen Glasdach. 

 

«Die kleinformatigen Fensteröffnungen in der Mauerwerksfassade wurden wiederhergestellt und mit feinen Sprossenfenstern aus dem Stahlsystem Janisol Arte 2.0 geschlossen.»  

Rundum verglastes Treppenhaus

Die Schnittstelle zwischen Alt- und Neubau markiert ein neuer Eingang mit einem rundum verglasten Treppenhaus, wobei «rundum» durchaus wörtlich zu nehmen ist, denn die 15 Meter hohe Glasfassade wurde mit im Grundriss gebogenen Stahlprofilen realisiert. Die Architekten sprechen von einer «integralen Konstruktion», weil die Stahltreppe gleichzeitig das Glas trägt und das Glas wiederrum so gebogen ist, dass es sich selbst stabilisiert. Die Rundung macht nur etwa ein Drittel der Länge aus, zwei Drittel des Scheibenverlaufs sind linear. Realisiert wurde die Structural-Glazing-Fassade mit dem Stahlsystem VISS SG. Die freitragenden, mit weissem Marmor belegten Treppenstufen verjüngen sich von innen nach aussen und werden bis an das Glas herangeführt, sodass sich ein Geländer erübrigt. Als Brüstung fungieren die Riegel – ein unscheinbares Detail, das der gesamten Konstruktion eine geradezu spielerische Leichtigkeit verleiht. Stahltreppe, Pfosten und Riegel sind übrigens im gleichen Oberflächenfinish gehalten, sodass Gebäude, Architektur und Innenausbau zu einer gestalterischen Einheit verschmelzen. Die Stahltreppe mitsamt der Glasfassade wurde in der Werkstatt von M. C. Kersten B.V., Amsterdam, vorgefertigt und in montagefertigen Elementen vor Ort verbracht und eingebaut.   

Ein Element der dem Stadion zugewandten Fassade kann mit einem Hydrauliksystem um 90 Grad nach oben geschwenkt werden.
Ein Element der dem Stadion zugewandten Fassade kann mit einem Hydrauliksystem um 90 Grad nach oben geschwenkt werden.

 

Hydraulisch öffenbares Tor – ein Fassadenelement

Ein weitere Besonderheit punkto Funktionalität und Design zeigt die dem Stadion zugewandte Bestandsfassade mit dem neuen Haupteingang. Die raumhoch verglaste Konstruktion sieht aus wie eine normale Pfosten-Riegel-Fassade. Erst bei genauerem Hinschauen erkennt man, dass sich ein Fassadenelement im Brüstungsbereich von den anderen unterscheidet. Es kann mit einem Hydrauliksystem um 90 Grad nach oben geschwenkt werden. Die beiden schweren Hydraulikzylinder sind stabil auf einem Bodenfundament verankert.   

Im geöffnetem Zustand fungiert das Tor als einladendes Vordach, unter dem Innenraum und Aussenraum unmerklich ineinander übergehen.
Im geöffnetem Zustand fungiert das Tor als einladendes Vordach, unter dem Innenraum und Aussenraum unmerklich ineinander übergehen.

 

 

Die Drehpunkte – und auch die Kraftübertragung – befinden sich alle im oberen Drittel des Tors und wirken somit zusammen mit den ausfahrenden Zylindern entsprechend diskret. Im geöffneten Zustand fungiert das Tor als Vordach, unter dem Innenraum und Aussenraum unauffällig ineinander übergehen.
Die einladende Geste führt direkt ins «Mobility Experience Center» von Pon. Das Unternehmen ist in den Niederlanden als Importeur von Volkswagen, Seat, Audi und Skoda bekannt. Weniger bekannt ist, dass Pon auch Fahrräder herstellt und Carsharing-Lösungen entwickelt. Weil sich abstrakte Inhalte wie alternative Verkehrsmittel nur schwer vermitteln lassen, hat Pon das «Mobility Experience Center» mit wechselnden Ausstellungen zum Thema zukunftsweisende Mobilität initiiert. MOVE, wie das Gebäude seit der Transformation heisst, bietet mit einer Mischung von Gewerbe, Gastronomie und Veranstaltungen genau das richtige Umfeld, um Mobilitätslösungen von morgen zu präsentieren – und das in einem Gebäude, das immer schon der Mobilität gewidmet war.  ■

Bautafel 

Bauherr:

Bouwinvest Office Development B.V., Amsterdam

Projektteam:
Bierman Henket Architekten, Esch (Rohbau, Fassaden)
QuA Associates, Amsterdam (Branding, Innenausbau)
Bronsvoort Blaak Architects, Amerongen (Innenräume, Technik)

Metallbauer:

Pfosten-Riegel-Fassade mit Treppenlauf: M. C. Kersten B.V., Amsterdam
Pfosten-Riegel-Fassade mit Hubelement, Fenster: Rollecate Hoofdkantoor, Staphorst

Verwendete Profilsysteme:

Jansen-VISS, VISS SG, Janisol Arte 2.0

Das Fachregelwerk Metallbauerhandwerk – Konstruktionstechnik enthält im Kap. 2.23 wichtige Informationen zum Thema «Tore».