April 2024
April 2024
Das Firmengebäude des Bremer Metallbauunternehmens Lenderoth mit seiner revitalisierten Fassade.
Das Firmengebäude des Bremer Metallbauunternehmens Lenderoth mit seiner revitalisierten Fassade.

 

Nachhaltigkeit im Metallbau

Echte Kreislaufwirtschaft in der Praxis

«Fassadenbau der Zukunft»: Unter diesem Motto fand im Februar 2024 beim Bremer Metallbauunternehmen Lenderoth die offizielle Vorstellung der revitalisierten Unternehmensfassade statt – ein deutschlandweit bisher einzigartiges Pionierprojekt für echte Kreislaufwirtschaft von Lenderoth, Wicona und Saint-Gobain Glass. Mit dabei waren geladene Gäste aus Architektur, Projektentwicklung, Politik und Fachpresse.

Text: Hydro Building Systems / Bilder: Mediashots 

In seinen einleitenden Worten unterstrich Moderator Martin Prösler (Proesler Kommunikation) die enorme Bedeutung einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft in der Baubranche. Diese sei vor dem Hintergrund von Ressourcenknappheit, der Notwendigkeit zur Einsparung von CO 2 sowie zur Vermeidung von Abfall die einzige Zukunftsoption. Neues Denken und neue Wege seien erforderlich – weg von der linearen Produktion und hin zum zirkulären Bauen.

Der Kreislaufgedanke im Fokus

Zunächst stellte Christophe Lenderoth (Geschäftsführer Lenderoth GmbH) das konkrete Revitalisierungsprojekt vor. Dabei ging es darum, die 1972 erstellte Pfosten-Riegel-Fassade des unternehmenseigenen Bürogebäudes zukunftsgerecht zu sanieren – denn diese konnte den aktuellen Anforderungen insbesondere hinsichtlich des Wärmeschutzes und der Energieeffizienz nicht mehr gerecht werden. Christophe Lenderoth: «Wir wollten mit gutem Beispiel vorangehen und nicht nur eine energieeffiziente Fassade aus Glas und Aluminium bauen, sondern auch Materialien verwenden, die besonders CO 2 -sparend hergestellt werden. Hier stand für uns der Kreislaufgedanke im Fokus.» Vor diesem Hintergrund – so der Bauherr – sei das gemeinsame Projekt mit den langjährigen Partnern Wicona und Saint-Gobain Glass entstanden. Im Ergebnis konnten bei der Revitalisierung der rund 370 m² grossen Pfosten-Riegel-Fassade 24,6 t CO 2 eingespart werden – dank der Verwendung von 100% recycelten Aluminiumprofilen und 64% recyceltem Glas. 

Christophe Lenderoth stellte die Fassadenrevitalisierung im Detail vor.
Christophe Lenderoth stellte die Fassadenrevitalisierung im Detail vor.

 

Mut, Dinge neu zu tun und Dinge zu ändern

Auch Ralf Seufert (VP Commercial North Europe Hydro Building Systems) betonte den Pioniercharakter des Projekts. «Wir stehen vor einer riesigen Renovierungswelle und müssen die verbauten Materialien recyceln. Und genau hier setzen wir an.» Dabei unterstrich der Referent die Vorreiterrolle von Wicona beim kreislauffähigen Bauen. Schon seit sechs Jahren habe das Unternehmen mit Hydro CIRCAL ein Produkt im Markt, das zu mindestens 75% aus End-of-Life-Aluminium besteht. Mit Hydro CIRCAL 100R ist nun auch eine Aluminiumlegierung aus 100% Recycling-Material erhältlich – eingesetzt auch bei Lenderoth. Dieser Innovationsgeist erfordert ein umfangreiches technologisches Know-how, insbesondere der Sortierungs- und Wiederaufbereitungsprozess sei Hightech, so Ralf Seufert. Derzeit werden von Hydro 55 000 Tonnen Aluminium jährlich recycelt und in den Markt zurückgeführt. Mit der Errichtung weiterer Sortierwerke unter anderem in Spanien und in England erhöhe man die Kapazitäten weiter – denn das sei die Zukunft. Darüber hinaus habe man im Hydro Konzern alle Kompetenzen der Wertschöpfungskette in einer Hand, so Ralf Seufert. Sein Appell: «Wir können nur gemeinsam mit starken Partnern wie Lenderoth und Saint-Gobain Glass erfolgreich sein und die Kreislaufwirtschaft Realität werden lassen. Daher suchen wir immer neue Mitstreiter, die mit uns vorangehen und den Markt verändern wollen.»  

v.l.n.r. Christophe Lenderoth, Klaus Peter Sedlbauer, Sarah Ryglewski, Ralf Seufert, Pascal Decker.
v.l.n.r. Christophe Lenderoth, Klaus Peter Sedlbauer, Sarah Ryglewski, Ralf Seufert, Pascal Decker.

 

Gebäude der Zukunft sollen Materialdatenbanken sein

Im Anschluss beleuchtete Pascal Decker – CEO bei Saint-Gobain Glass Deutschland – das Projekt aus Sicht des Glasherstellers. Die CO 2 -Neutralität bis 2050 sei wesentliches Ziel der Unternehmensstrategie. Somit investiere man sehr viel in innovative und ressourcensparende Produkte sowie in neue Technologien und lege grossen Wert auf enge Partnerschaften im Markt. «Kreislaufwirtschaft kann nur gemeinsam funktionieren», so Pascal Decker. Da das Glas für mehr als ein Drittel des gebundenen CO 2 in einer Fassade verantwortlich sei, liege hier noch enormes Optimierungspotenzial. Vor diesem Hintergrund hat Saint-Gobain Glass die bei Lenderoth eingesetzte Fassadenverglasung ORAÉ entwickelt. Dieses CO 2 -reduzierte Glas bietet durch die Kombination eines hohen Anteils an recyceltem Glas mit circa 64% Scherben und der Verwendung erneuerbarer Energien für die Herstellung einen besonders niedrigen CO 2 -Fussabdruck. Mit Blick auf die Zukunft stellte Pascal Decker klar: «Wir müssen weiterhin den Fokus auf Ressourcenschonung und CO 2 -Einsparung legen und vor allem den Einsatz von Sand im Produktionsprozess reduzieren. Gebäude der Zukunft müssen so geplant und realisiert werden, dass sie zu einer echten Materialbank werden.»  

 

«Jeder Bauherr und Planer muss sich schon am Anfang darüber Gedanken machen, wie das Produkt am Ende im Wertstoffkreislauf verbleiben kann.» Staatsministerin Sarah Ryglewski

 

Einblicke in die politische Agenda zur Nachhaltigkeit

Einen Einblick aus erster Hand in die Arbeit und Strategie rund um das Nachhaltige Bauen in der Bundesregierung gab Sarah Ryglewski, Staatsministerin für Bund-Länder-Beziehungen und nachhaltige Entwicklung beim Bundeskanzler. Nachhaltigkeit sei ein Gewinnerthema mit gesellschaftlicher Relevanz und nicht zuletzt auch enorm wichtig für den Wirtschaftsstandort Deutschland (Stichwort Rohstoffverfügbarkeit). In diesem Zusammenhang stellte die Staatsministerin die Allianz für Transformation vor – ein Diskussionsformat der Bunderegierung mit Wirtschaft, Sozialpartnern und Wissenschaft zur Gestaltung des sozial-ökologischen Wandels in Deutschland. Hier stünden Themen wie Kreislaufwirtschaft und Lebenszyklusbetrachtung sowie auch die CO 2 -Bepreisung und die Einführung von Rezyklat-Quoten auf der Agenda – es tue sich viel. Gerade bei der Kreislaufwirtschaft gehe es aber nicht nur um die Frage des Recyclings, sondern um ein neues Geschäftsmodell mit wertvollen Rohstoffen. Sarah Ryglewski: «Jeder Bauherr und Planer muss sich schon am Anfang darüber Gedanken machen, wie das Produkt am Ende im Wertstoffkreislauf verbleiben kann.»

Staatsministerin Sarah Ryglewski gab Einblicke in die Arbeit und Strategie rund um das Nachhaltige Bauen in der Bundesregierung.
Staatsministerin Sarah Ryglewski gab Einblicke in die Arbeit und Strategie rund um das Nachhaltige Bauen in der Bundesregierung.

 

Fassade für das Wohlbefinden der Gebäudenutzer

Zum Abschluss stellte Prof. Klaus Peter Sedlbauer (Lehrstuhl Bauphysik an der TU München) in seinem Vortrag die Frage: Wie werden wir in Zukunft leben? Dabei ging er zunächst auf die sich verändernden klimatischen Bedingungen mit Starkregen und zunehmenden Hitzeperioden im Sommer ein – diese müssten bei der Planung von Gebäuden noch konsequenter berücksichtigt werden. «Wir bauen Gebäude und insbesondere auch Fassaden nicht, um Energie zu sparen, sondern um den Menschen ein Klima zu bieten, in dem sie sich wohlfühlen. Fassaden müssen entsprechend konzipiert werden, zum Beispiel hinsichtlich Akustik, Schallschutz, Licht bzw. Beleuchtung und Innenraum-Luftqualität.» Die Fassade als urbane Oberfläche sei massgeblich für das Bauen der Zukunft und müsse immer in Verbindung mit der Interaktion mit dem Menschen stehen. Als zentrale Stellschrauben im Sinne der Nachhaltigkeit gelte es, den Energiebedarf von Gebäuden zu senken (Herstellung, Nutzung, Ende) sowie die benötigte Energie günstig herzustellen und zu decken. Und zwar nicht nur im Neubau. Prof. Sedlbauer: «96% der Gebäude sind im Bestand – die Energiewende wird hier entschieden. Wir brauchen die Erhöhung der Sanierungsquote.»

CO 2 -Ersparnis von 24,6 Tonnen

Realisiert wurde die rund 370 m² grosse neue Fassade mit einer anforderungsgerechten Wicona Pfosten-Riegel-Konstruktion vom Typ WICTEC 50 – hergestellt aus der Aluminiumlegierung Hydro CIRCAL 100R. Diese besteht zu 100% aus End-of-Life-Material und verfügt mit durchschnittlich 0,5 kg CO 2 pro kg Aluminium über den im weltweiten Vergleich geringsten CO 2 -Fussabdruck. Die Verglasung der neuen Fassade besteht aus ORAÉ von Saint-Gobain Glass. Das CO 2 -reduzierte Glas bietet durch die Kombination eines hohen Anteils an recyceltem Glas mit circa 64% Scherben und der Verwendung erneuerbarer Energien für die Herstellung einen besonders niedrigen CO 2 -Fussabdruck von nur 6,64 kg CO 2 -Äquivalent pro m² auf (bei 4 mm Glasdicke). Durch das zukunftsweisende Konzept konnte die Fassaden-Revitalisierung komplett aus Sekundär-Rohstoffen realisiert werden – was letztendlich eine Ersparnis von insgesamt 24,6 Tonnen CO 2 bedeutete. ■