Bushaltestelle ABL Acquarossa
Überdachungen – die Föia
Die Gesellschaft Autolinee Bleniesi SA möchte mit einigen grundlegenden Veränderungen zur Aufwertung des ÖV-Knotenpunkts der zwischen Comprovasco und Acquarossa verkehrenden Busse ihren Fahrgästen mehr Komfort bieten. Neben der verbesserten Funktionalität will die Gesellschaft ein wichtiges Zeichen für das ganze Tal mit Symbolwirkung für das Umland setzen. Das Architekturbüro Conceprio Sagl in Osogna, das mit der gesamten Umgestaltung des Bereichs – einschliesslich der Sanierung der vorhandenen Gebäude – befasst ist, interpretiert diese Intention mit der Erschaffung einer Skulptur, die als neue Bushaltestelle dient.
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Überdachungen – die Föia
Bushaltestelle ABL Acquarossa
Die Gesellschaft Autolinee Bleniesi SA möchte mit einigen grundlegenden Veränderungen zur Aufwertung des ÖV-Knotenpunkts der zwischen Comprovasco und Acquarossa verkehrenden Busse ihren Fahrgästen mehr Komfort bieten. Neben der verbesserten Funktionalität will die Gesellschaft ein wichtiges Zeichen für das ganze Tal mit Symbolwirkung für das Umland setzen. Das Architekturbüro Conceprio Sagl in Osogna, das mit der gesamten Umgestaltung des Bereichs – einschliesslich der Sanierung der vorhandenen Gebäude – befasst ist, interpretiert diese Intention mit der Erschaffung einer Skulptur, die als neue Bushaltestelle dient.
Die Haltestelle aus Cortenstahl entstand nach einem Entwurf von Architekt Davide Conceprio und wurde von der Firma Officine Ghidoni SA auf elegante Weise umgesetzt. Die Funktion des Entwurfs besteht darin, den Fahrgästen der öffentlichen Verkehrsmittel Schutz vor Wind und Wetter zu bieten, und der Entwurf hat die Form eines Blattes.
Es handelt sich um einen Verweis auf die frühere Bedeutung des Kastanienbaums als Brotbaum in der ländlichen Wirtschaft. In der Umgebung finden wir noch immer etliche wunderschöne Exemplare, tatsächlich gibt es viele Kastanienwälder, die zunehmend Aufwertung erfahren.
Der Wille zur Erschaffung einer ihre Umgebung stark prägenden Skulptur war für den Architekten Inspiration zum Entwurf dieser «Föia» («Blatt» in der Tessiner Mundart) aus Stahl, deren Ausführung in nur einem einteiligen grossen Monolith ermöglicht wurde. Die Wahl von Cortenstahl mit seinem rostähnlichen Aussehen hängt mit dem Ort Acquarossa zusammen, dessen Name daran erinnert, dass hier Thermalwasser mit hohem Eisengehalt entspringt, das in seinem Verlauf rostrote Spuren hinterlässt. Auch das wellenförmige Design des Bodenbelags aus lokalem Gneis, mit dem der Boden im Wartebereich gepflastert ist, soll ein Verweis auf das Wasser sein. Zur Verstärkung des Monoliths aus Cortenstahl hat man sich für einen verglasten Windfang ohne jegliche Metallträger entschieden.
Projekt und technische Ausarbeitung
Das ursprüngliche Projekt des Architekten sah eine Überdachung aus Holz mit einem Träger an der Spitze vor. Dank der Konstruktion ganz aus Stahl S355J2W (Cor-Ten Typ B) konnte hingegen auf die Säule an der Spitze der Haltestelle verzichtet werden, und die gesamte Überdachung wird heute lediglich durch den «Stiel» des Blattes getragen. Eine stilistische Wahl von unbestreitbarer Wertigkeit.
Wie es schon bei früheren Bauvorhaben der Fall war, wurde ein junger Auszubildender, der im technischen Büro der Firma Officine Ghidoni gerade sein 4. Ausbildungsjahr absolviert, mit der technischen Projektentwicklung betraut. Dies unterstreicht die wertvolle Rolle des Ausbildungsbetriebs, der dem Nachwuchs die Möglichkeit bietet, aktiv am eigenen Entwicklungsprozess mitzuwirken, und der zugleich die Eingliederung neuer und unerlässlicher Fachkräfte in den Arbeitsmarkt begünstigt. Miro Patocchi hat also das Projekt der Föia tra virgolette beim Qualifikationsverfahren (Lehrabschlussprüfung) zur Erlangung des eidgenössischen Fähigkeitszeugnisses als Metallbaukonstrukteur EFZ eingereicht. Das interdisziplinäre Qualifikationsverfahren sieht nämlich die Ausführung einer individuellen praktischen Arbeit (IPA) vor; dabei muss das gewählte Thema im Einvernehmen mit dem Ausbildner den Erfordernissen des Unternehmens entsprechen und bestimmte von der Prüfungsordnung vorgeschriebene Kriterien erfüllen. Ein gewiss sehr anspruchsvolles Projekt für Miro, das diesem jungen Mann nicht nur erlaubt hat, beruflich zu wachsen, sondern auch die Abschlussprüfung zum Metallbaukonstrukteur EFZ mit dem besten Notendurchschnitt und als bester Auszubildender des Arbeitgeberverbands AM Suisse Ticino brillant zu bestehen. Dank diesem Resultat erhielt er ausserdem den Premio Fondazione Luigi Brentani, einen Förderpreis, der von der gleichnamigen Stiftung mit Sitz in Lugano vergeben wird.
Im Mittelpunkt der individuellen praktischen Arbeit (IPA) stehen zweifellos die beiden grundlegenden Themen der technischen Ausarbeitung und der Projektierung. Darüber hinaus ist es schwierig, die fliessende Grenze zwischen Didaktik und praktischen Fähigkeiten zu ziehen, und dies ist der Nachweis für die Parallelität des Wissenserwerbs in dieser Phase an den verschiedenen Ausbildungsstätten. Anhand der folgenden Präsentation widmen wir uns nun den interessantesten Aspekten der «Föia».
Analyse
Dank den vielfältigen Möglichkeiten der Blechbearbeitung konnte eine komplexere Geometrie entwickelt werden, die es einerseits – im Hinblick auf das Design – ermöglichte, eine stärkere Ähnlichkeit mit dem Kastanienblatt zu erzielen, andererseits jedoch die Projektierung schwieriger gestaltete. Da die Umsetzung mit zweidimensionalen Zeichnungsmethoden nur schwer realisierbar war, kam bei diesem Projekt sowohl für die Baustatik als auch für die Modellierung innovative Software zum Einsatz. Dank dieser Technologie konnten die gesamte Konstruktion und die unterschiedlichen Bleche modelliert und die verschiedenen auszuführenden Bearbeitungsschritte geplant werden, um schliesslich eine präzise Projektion des fertigen Elements zu erlangen. Ein Merkmal dieser Konstruktion ist, dass sie vollständig in der Werkstatt zusammengebaut wurde: zu einem einzigen, 17 m langen, 5,5 m breiten und 4,9 m hohen Körper mit einem Gesamtgewicht von ca. 9000 kg.
Der komplexeste Teil ist sicherlich der «Stiel», der aus verschieden dicken Stahlblechen röhrenförmig zusammengesetzt ist. An der Basis hat diese Röhre einen Querschnitt von 1000 x 450 mm, während die im ersten Segment verwendeten Bleche eine Stärke von 25 mm aufweisen. Das Endstück hat einen Querschnitt von ca. 120 x 70 mm mit einer Stärke von 6 mm. Im Innern wurde der Stiel mit Verstrebungen verstärkt, die den Zusammenbau vereinfachen. Auf Höhe der abzweigenden Seitenrippen wurden U-förmig gebogene Verstrebungen angebracht, um das Element insgesamt zu versteifen.
An der Basis befindet sich eine Bodenplatte aus S355K2W+AR (1400 x 850 mm mit einer Stärke von 100 mm), die allein bereits 952 kg wiegt. Um eine gute Zugfestigkeit an der Grundplatte zu gewährleisten, wurden hohe Kontrollstandards verlangt.
An der Basis der Konstruktion ergab sich ein Moment My = +2309 kNm; –2000 kNm. Die ähnlichen Plus- und Minus-Werte sind auf die Berechnung der Schneelast und der Windlast von innen (wie bei einer Art Flügel) zurückzuführen, denen die Konstruktion ausgesetzt ist. Die Konstruktion wird von einem Betonfuss aus 32 Erdverankerungen Swiss-Gewi Ø32 am Boden gehalten. Die Überdachung (die Blattspreite) wurde aus 5 mm starken Walzblechen realisiert. Ihre Neigung zur Mitte begünstigt das Ablaufen von Regenwasser entlang des Bogenrückens des Stiels (in der Blattmitte), von wo es über ein speziell entwickeltes System unter den Boden geleitet wird.
Eine Oberflächenbehandlung am Sockel – von der Grundplatte bis auf +0,8 m Höhe – mit einer entsprechenden Schutzumhüllung aus gebogenem Corten-Stahlblech, dient zum Schutz vor Schäden durch einen möglichen Kontakt zwischen dem Cortenstahl und Streusalz. Salz kann unerwünschte Korrosion begünstigen.
Zusammenbau
Die Ausführung dieser Konstruktion war sehr komplex. Zuerst mussten die verschiedenen Stielsegmente zusammengebaut werden. Danach wurden die Seitenrippen an den entstandenen Stiel geschweisst. Für die präzise Positionierung wurden die Anschweissstellen mit dem Laser graviert. Für die Ausrichtung der Seitenrippen musste erst der Stiel aufgestellt und anschliessend ein Raster am Boden angebracht werden. Dank 3D-Modell war es möglich, die Masse der Achsen x, y, z zu extrahieren, was eine Art Spiel mit dem kartesischen Koordinatensystem darstellte, und auf diese Weise konnte das ganze Skelett der Abzweigungen genau positioniert werden. Nachdem alle Seitenrippen am Stiel festgeschweisst waren, konnten die Bleche der Überdachung angebracht werden. Dank der Planungssoftware Solidworks war es möglich, präzise Bleche zu erlangen, die sich an die Geometrie der Seitenrippen und des Stiels anpassen lassen. Für die Wasserabführung wurden auf der Oberseite stehende Stegbleche angeschweisst.
Transport und Aufrichtung
Wie es bei jedem Grossprojekt der Fall ist, erforderte auch die Föia die sorgfältige und genaue Planung der Endphasen, also Transport und Aufrichtung vor Ort. Angesichts der beeindruckenden Grösse des Werks erfolgte der Schwertransport auf Lkw nachts unter Einsatz einiger Begleitfahrzeuge der Polizei. Am darauffolgenden Morgen wurde die riesige Skulptur aufgestellt: Mithilfe eines Kranwagens Liebherr LTM 1100-5.2 (100 t) brachte man die Föia mit einem Schwenkmanöver an ihren endgültigen Standort. Dieser heikle Vorgang nahm in etwa einen Arbeitstag in Anspruch.
Fazit der Unternehmung
Es handelt sich um ein Projekt mit innovativem Design, das sich harmonisch in die Umgebung einfügt und eine personalisierte Lösung eines immer wieder auftretenden Problems darstellt – nämlich der Witterungsschutz an Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel. Aufgrund ihrer komplexen Geometrie und Statik erforderte die Konstruktion eine eingehende Analyse und im 3D-Raum entwickelte Lösungen der konstruktiven Details. In Anbetracht der statischen und architektonischen Aspekte (Verschlanken der Konstruktion), aber vor allem, um eine normgerechte Ausführung zu gewährleisten (strukturelle Sicherheit), wurden sowohl die oberirdischen Bauteile als auch das Fundament detailliert analysiert. Dank dem Einsatz von Stahl, einem modellierbaren und schweissbaren Werkstoff, wurde dieses Projekt nach seiner Validierung durch adäquate statische Gesamt- und Detailprüfungen konkret umsetzbar.
Für unser Unternehmen war es ein unter architektonischen Aspekten hoch interessantes Projekt, das von einem talentierten Nachwuchsmitarbeiter mit viel Engagement und Sachverstand als Thema für die Abschlussprüfung als Metallbaukonstrukteur EFZ gewählt wurde. Ein solcher Ansatz kann verfolgt werden, wenn der Auszubildende Ambition, Engagement und herausragende Projektfähigkeiten beweist.
Ausschlaggebend bleibt jedoch die Rolle des Unternehmens, das die letzte Verantwortung für das Projekt übernimmt und dem Auszubildenden kontinuierliche Unterstützung und angemessene technische Kompetenzen garantieren muss. Diese Ausbildungsbegleitung ist nicht nur während der Abschlussphase, sondern vor allem während des gesamten Ausbildungswegs von massgeblicher Bedeutung. Ohne diese Prämissen wäre es nicht möglich gewesen, das Projekt der Föia in der beschriebenen Art und Weise zu managen und gleichzeitig die Wertigkeit der Ausbildung zu garantieren.
Angesichts der erheblichen Stärken der für die Föia verwendeten Bleche fiel die Wahl auf Cortenstahl Typ B. Dieser Werkstoff wird auch als «Vanadium-Stahl» bezeichnet. Dank seiner chemischen Zusammensetzung bewahrt er auch mit grossen Stärken ausgezeichnete mechanische Eigenschaften.
Er hat eine etwa vierfache Beständigkeit gegenüber atmosphärischer Korrosion im Vergleich zu gewöhnlichem Baustahl. Er kann roh verwendet werden, auch wenn er nicht die ästhetischen Effekte des Typs A erreicht. Produkte aus Cortenstahl Typ B sind ohne weiteres in jeder Stärke (auch über 100 mm) im Handel erhältlich. ■
Bautafel
Objekt:
Bushaltestelle Comprovasco / Acquarossa
Architekt:
Studio d'architettura Conceprio Sagl, Osogna
Stahlbau:
Officine Ghidoni SA, Riazzino