November 2021
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Betretbare und begehbare Verglasungen – worin unterscheiden sie sich?

Glas am Bau

Glasbauteile werden auch für Böden, Balkone, Treppen und Dächer eingesetzt. Immer wieder kommt es bei deren Nutzung und Unterhalt zu schweren Ab- und Durchsturzunfällen, wie die Glasbauexperten aus ihrer Gutachtertätigkeit wissen. Damit solche Horizontalverglasungen richtig geplant werden und sicher sind, erklären die Experten hier ein paar wesentliche Merkmale von betret- und begehbaren Verglasungen.


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Nichtbetretbare Horizontalverglasung aus Drahtglas. Drahtgläser dürfen zu keiner Zeit betreten oder begangen werden. Drahtglas ist kein Sicherheitsglas.
Nichtbetretbare Horizontalverglasung aus Drahtglas. Drahtgläser dürfen zu keiner Zeit betreten oder begangen werden. Drahtglas ist kein Sicherheitsglas.

Glas am Bau

Betretbare und begehbare Verglasungen – worin unterscheiden sie sich?

Glasbauteile werden auch für Böden, Balkone, Treppen und Dächer eingesetzt. Immer wieder kommt es bei deren Nutzung und Unterhalt zu schweren Ab- und Durchsturzunfällen, wie die Glasbauexperten aus ihrer Gutachtertätigkeit wissen. Damit solche Horizontalverglasungen richtig geplant werden und sicher sind, erklären die Experten hier ein paar wesentliche Merkmale von betret- und begehbaren Verglasungen.

Text und Bilder: SIGAB

Im Glasbau kommen Vertikalverglasungen wie Fenster, Glastüren, Glaswände und gläserne Brüstungen am häufigsten zur Anwendung. Verglasungen, die in ihrer Neigung um mehr als 15° von der Vertikalen abweichen, gelten gelten gemäss SIA-Merkblatt 2057 (seit 1. August 2021 gültig) als Horizontalverglasungen. Gewöhnliche Horizontalverglasungen sind normalerweise nicht für den Personenverkehr gedacht. Neben den nichtbetretbaren Horizontalverglasungen gibt es auch betret-, begeh- und befahrbare Verglasungen. Dazu sind bereits bei der Planung verschiedene Normen und Richtlinien zu beachten, damit die Sicherheit gewährleistet ist.

Glasbruch vorbeugen

Bei Horizontalverglasungen (auch als Überkopfverglasungen bezeichnet) wird in der Regel davon ausgegangen, dass sich Personen unter der Verglasung aufhalten werden. Für Überkopfverglasungen wird deshalb im Falle eines Glasbruchs eine Resttragfähigkeit (gem. SIA-Merkblatt 2057 sowie gemäss SIGAB-Richtlinie 002) gefordert. Diese soll gewährleisten, dass Personen, die sich unter der Verglasung aufhalten, bei einem Glasbruch ausreichend Zeit haben, sich aus der Gefahrenzone zu begeben, bevor ein Versagen der Verglasung eintritt. Eine einfach verglaste Horizontalverglasung bzw. die unten angeordnete Scheibe eines Isolierglases muss deshalb als Verbundsicherheitsglas (VSG) aus Floatglas oder VSG aus teilvorgespanntem Glas (TVG) geplant werden. Die Robustheit eines Tragelements aus VSG wird durch die Anzahl Glasscheiben, deren Dimensionierung und die Glasart beeinflusst. Je grösser die Anzahl der Glasscheiben, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit eines Versagens des Bauteils.
Kein Sicherheitsglas ist hingegen Drahtglas. Das eingebettete Drahtgeflecht hält bei einem Glasbruch die grob brechenden Splitter zwar teilweise zusammen, trotz allem können sie sich aus dem Geflecht lösen und zur Verletzungsgefahr werden. Drahtgläser dürfen deshalb zu keiner Zeit betreten oder begangen werden. Oft aus Drahtglas bestehen ältere Glasdächer bei überdachten Bahnhofshallen. So beispielsweise auch im Hauptbahnhof Zürich, wo vor ein paar Jahren vier Jugendliche nachts auf das Dach kletterten. Eine Scheibe des Drahtglases brach unter dem Gewicht der jungen Leute. Eine Person stürzte rund 12 Meter in die Tiefe und verstarb noch vor Ort. Zudem löste sich eine Glasscherbe aus dem Drahtgeflecht und verletzte einen der Helfer.
  

«Verglasungen, die in ihrer Neigung um mehr als 15° von der Vertikalen abweichen, gelten gemäss SIA-Merkblatt 2057 (seit 1. August
2021 gültig) als Horizontalverglasungen.»
 

Betretbar für Unterhaltsarbeiten

In Einzelfällen müssen Horizontalverglasungen jedoch kurzzeitig durch geschultes Fachpersonal für Unterhaltsarbeiten betreten werden. Gemäss Norm SIA 261 bzw. SIA-Merkblatt 2057 sind betretbare Verglasungen als «nicht begehbare Dächer» zu verstehen, welche nur für Montage- oder Reinigungsarbeiten betreten werden. Dies können z.B. Glasdächer über Hauseingängen – die nicht auf einer Leiter stehend bewirtschaftet werden können –, Wintergärten oder Gewächshäuser sein. Betretbare Glaskonstruktionen bestehen stets aus VSG. Gegen das Absturzrisiko bei den Unterhaltsarbeiten sind die einschlägigen Vorschriften zu befolgen.

Für begeh- und befahrbare Glasflächen kommen nur Aufbauten mit Verbundsicherheitsglas (VSG) in Frage. Ein wesentliches Sicherheitskriterium bei begeh- und befahrbaren Horizontalverglasungen ist die Rutschhemmung. Entsprechende Massnahmen müssen gewährleistet sein.
Für begeh- und befahrbare Glasflächen kommen nur Aufbauten mit Verbundsicherheitsglas (VSG) in Frage. Ein wesentliches Sicherheitskriterium bei begeh- und befahrbaren Horizontalverglasungen ist die Rutschhemmung. Entsprechende Massnahmen müssen gewährleistet sein.

Begeh- und befahrbare Verglasungen

Als begehbare Verglasungen gelten Böden, Treppen, Balkone und ähnliche Glasbauteile, welche gemäss vorgesehener Nutzung durch Personen begangen werden können. Dies können auch begehbare Glasdächer sein. Für begehbare Glasflächen gelten die konstruktiven Vorgaben von horizontalen Verglasungen und es kommen nur Aufbauten mit VSG in Frage. Bei begehbaren Verglasungen aus Mehrfachisolierglas ist die obere Schicht in VSG aus Floatglas oder in VSG aus TVG auszuführen. Bei VSG aus drei oder mehr Gläsern kann auch Einscheibensicherheitsglas (ESG) verwendet werden. Die Verglasung muss mit den Auflagerungen so verbunden sein, dass ein selbständiges Verrutschen oder Abheben bei üblicher Nutzung verhindert wird. Bei grosser Beanspruchung der Oberfläche wird der Einsatz einer Verschleissschicht empfohlen.
Bei Verglasungen, die sich als Bodenglasplatten bzw. Oblichter auf einem Pausen- oder Parkplatz befinden, wo auch Personen- und Lieferwagen durchfahren, spricht man von befahrbaren Verglasungen. Dabei sind befahrbare VSG-Aufbauten für Fahrzeuge über 3,5 t nicht zu empfehlen. Zudem sollten keine Kiesplätze, Steingärten usw. in der Nähe einer befahrbaren Verglasung geplant werden. Fahrzeuge mit Steinen in den Reifen erhöhen nämlich das Risiko von Glasbrüchen bei befahrbaren Verglasungen enorm. Befahrbare VSG-Aufbauten sind mit mindestens drei Einzelscheiben auszuführen, wobei das oberste Glas als Deckglas bzw. Verschleissschicht gedacht ist und nicht zum statischen Tragsicherheitsnachweis herangezogen wird. Die befahrene Schicht ist – wie bei begehbaren Verglasungen – in VSG aus Floatglas oder in VSG aus TVG auszuführen. Bei VSG aus vier oder mehr Glasscheiben kann auch ESG verwendet werden.
 

Rutschhemmung

Ein wesentliches Sicherheitskriterium bei Horizontalverglasungen ist die Rutschhemmung. Unbehandeltes Glas wird leicht rutschig, vor allem wenn Flüssigkeiten oder fetthaltige Materialien darauf gelangen. Bei begeh- und befahrbaren Verglasungen muss deshalb die Rutschsicherheit durch entsprechende Massnahmen gewährleistet sein. Für die Rutschhemmung von Glasböden gelten die gleichen Anforderungen wie für andere Bodenbeläge (Vorgaben gem. BFU-Fachdokumentation 2.032, Norm DIN 51130 und 51097). Um die Rutschhemmung von Glasbauteilen zu verbessern, eignen sich verschiedene Verfahren der Oberflächenbehandlung, z.B. Ätzung, Aufrauen durch Sandstrahlung, Siebdruck bzw. Emaillierung sowie Laserstrukturierung.

www.sigab.ch   

  

Wichtige Normen und Richtlinien:

• SIA-Merkblatt 2057 «Glasbau» (Vorstellung in der «metall» vom November)
• Norm SIA 260 «Grundlagen der Projektierung von Tragwerken»
• Norm SIA 261 «Einwirkungen auf Tragwerke»
• SIGAB-Richtlinie SR 002 «Sicherheit mit Glas – Anforderungen an Glasbauteile»
• BFU-Fachdokumentation 2.032 «Anforderungsliste Bodenbeläge»
• BFU-Prüfreglement R 9729 «Klassifizierung von Bodenbelägen mit rutschhemmenden Eigenschaften»
• Norm DIN 51130
• Norm DIN 51097

 

Das Fachregelwerk Metallbauerhandwerk – Konstruktionstechnik enthält im Kap. 1.10 wichtige Informationen zum Thema «Konstruktiver Glasbau».