Februar 2025
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Austausch von vier Brücken entlang der RhB im Engadin

Brückenbau / Transporte

Ein Wesenszug der «roten» Rhätischen Bahn sind ihre 582 Viadukte und Brücken, ihre 114 Tunnel und 103 Bahnhöfe; diese erstrecken sich entlang der 384 km langen Trasse, die durch das Kanton Graubünden führt. Die Tatsache, dass die Strecke von Thusis nach Tirano seit 2008 Unesco-Welterbe ist, unterstreicht ihre globale Bedeutung und wertschätzt ihre ökologische Einbindung. Auf der 1885 gebauten Trasse reisen heute rund elf Millionen Fahrgäste, womit die Strecke noch immer eine Hauptverbindung im Kanton Graubünden darstellt.


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Verschiedene Gittertragwerke aus Stahl waren zu ersetzen.
Verschiedene Gittertragwerke aus Stahl waren zu ersetzen.

 

Brückenbau / Transporte

Austausch von vier Brücken entlang der RhB im Engadin

Ein Wesenszug der «roten» Rhätischen Bahn sind ihre 582 Viadukte und Brücken, ihre 114 Tunnel und 103 Bahnhöfe; diese erstrecken sich entlang der 384 km langen Trasse, die durch das Kanton Graubünden führt. Die Tatsache, dass die Strecke von Thusis nach Tirano seit 2008 Unesco-Welterbe ist, unterstreicht ihre globale Bedeutung und wertschätzt ihre ökologische Einbindung. Auf der 1885 gebauten Trasse reisen heute rund elf Millionen Fahrgäste, womit die Strecke noch immer eine Hauptverbindung im Kanton Graubünden darstellt.

Text und Bilder: Ing. Nazareno Rossi und Walter Poles, Officine Ghidoni SA, Riazzino

Da die Schienentrasse der RhB sich durch bergiges Gebiet windet, war und ist mutiges Handeln mit der Fertigstellung essenzieller Bauwerke nötig, um Täler zu durchqueren und Berge zu überwinden. Das in Rede stehende Projekt befindet sich auf dem Hochplateau des Engadins, in der Region zwischen Samedan und Pontresina. Vor dieser klassisch-alpinen Kulisse versuchen Bahn und Strasse seit jeher, bestmöglich mit der Umgebung zu verschmelzen. In dem Gebiet waren einige Gittertragwerke aus Stahl zu ersetzen. Nach mehr als 100 Jahren treuer Pflichterfüllung entsprachen diese Bauwerke insbesondere hinsichtlich Funktionalität, Rechtslage und Lärmschutz nicht mehr den Vorgaben. Die RhB schrieb unter Berücksichtigung dieses sensiblen Umfelds einen selektiven Projektwettbewerb aus, um drei bedeutende Bauwerke sowie ein viertes, dessen Abmessungen wesentlich geringer sind, zu ersetzen. Hierbei handelt es sich um zwei Brücken auf dem Gebiet des Dorfs Samedan (die erste führt über den Inn, die zweite über den Binnen) und eine dritte Brücke mit einem kleinen Bauwerk in der Gemeinde Pontresina, die bei Punt Muragl über den Fluss Flaz führt. Ausser für die Zugtrasse wurden die Bauarbeiten im Zusammenhang mit dieser wichtigen Massnahme genutzt, um an einigen Abschnitten mehrere Radwege zu integrieren.

 

Das Projekt

Sieger der vom Auftraggeber veröffentlichten Ausschreibung war das von Gredig Walser Architekten AG, Casutt Wyrsch Zwicky AG und Chitvanni + Wille GmbH eingereichte Projekt, das einen Ersatz der vier offenen, aus genieteten Elementen bestehenden Gittertragwerke durch neue, gänzlich verschweisste Trogbrücken aus Metall vorsah. Natürlich war bei dieser Lösung eine Anpassung der Widerlager notwendig, damit die neuen Bauwerke, die im Wesentlichen aus einem leicht gespreizten und sowohl in Längs- als auch Querrichtung gerippten, U-förmigen Kastenträger bestehen, unter Einhaltung der geringeren statischen Höhe gelagert werden konnten.
Aufgrund der Ausführung als Eisenbahnbrücke lag die Aufmerksamkeit nicht nur auf den Querschnitten der Tragteile, sondern auch auf den Schweissnähten, da diese sowohl die Längs- als auch Querbauteile verbinden. Die Schweissnähte zeichnen sich durch ihren grossen Querschnittn und ihre hohe Qualität aus; tatsächlich erfüllen die meisten Schweissungen gemäss EN 1090–1 die Ausführungsklasse EXC 4.
Die Komplexität dieses Projekts ergab sich weniger aus der recht einfachen Geometrie als vielmehr aus den Abmessungen der Brückenquerschnitte von mehr als 6 m Breite. Diese Tatsache berücksichtigend, stellte die Officine Ghidoni SA in Riazzino Teilstücke für die Längs- und die Querrichtung her. Die L-förmigen Elemente wurden stets zur Baustelle transportiert und dort montiert. Es handelte sich um einen erheblichen logistischen Aufwand. Wer mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut ist, kann die Herausforderung sicherlich erahnen; man denke nur an die enge Passage bei Bivio (einer Fraktion der Gemeinde Surses in der Region Albula), deren Querung bereits mit einem normal profilierten Gliederzug anspruchsvoll ist. 

3D-Ansicht eines neuen Brückenelements mit Geländer.
3D-Ansicht eines neuen Brückenelements mit Geländer.

 

Für die auf den ursprünglichen Konzepten basierende Ausführungsplanung waren detaillierte Untersuchungen der unterschiedlichen Anschlüsse von Stahlplatten stattlicher Dicke notwendig (für die Bereiche mit wechselnden Kraftflüssen und für die mit Rippen ausgeführten Stahlverbindungen). Zweifellos am komplexesten war die Analyse der Aspekte in Bezug auf Logistik und Ausführung. Hierbei galt es, bestehende Bauwerke rückzubauen und durch neue zu ersetzen. Diese Aufgaben mussten schnellstmöglich ausgeführt werden, da sie eine vorübergehende Unterbrechung der Strecke St. Moritz–Tirano erforderten.
Ziel war es, die jahrhundertealten Bauwerke samt Gleisen rückzubauen und die Wiederherstellung des Schotterbetts, der Schienen und der Oberleitung innerhalb von 78 Stunden zu garantieren. Die Baustellenlogistik der beiden aufeinander folgenden Lose Pontresina und Samedan war aufgrund des Platzbedarfs für gleich zwei Bauwerke, das alte und das neue, sehr eng getaktet.

Alle Tragkonstruktionen bestehen aus geschweissten Stahlblechen.
Alle Tragkonstruktionen bestehen aus geschweissten Stahlblechen.

 

Bauausführung

Die vier Brückenbauteile der Trogbrücken bestehen aus einer flachen Platte (sie bildet die Gleitebene) und zwei Flanken, die dem Bauwerk seine statische Höhe verleihen. Entsprechend der Spannweite und der aufzunehmenden Lasten kann der Schnitt, obwohl er seine Konfiguration beibehält, mehr oder weniger komplex sein. Da in diesem Fall grosse Spannweiten zu überbrücken und trotz der geringen Spurweite schwere Lasten sowie dynamische Beanspruchungen zu berücksichtigen waren, war auch die konstruktive Komplexität anspruchsvoll – obwohl die Brückenkonstruktion sich aus Stahlplatten zusammensetzt, die eine relativ einfache Form aufweist. Der aus dicken Stahlplatten (bis maximal 75 mm) aufgebaute Brückenlängsschnitt erforderte umfangreiche Vorbereitungen der Stahlplattenränder. Ziel war es, Schweissungen ausschliesslich als Vollanschluss zu garantieren. Zur notwendigen Versteifung der flachen Boden- und Seitenplatten benötigte die Konstruktion ausser Längselementen auch Querrippen. Den Abschluss der leicht gespreizten Seitenplatten bildete eine grosse Platte, die entlang der gesamten Länge der beiden Wände verläuft; an ihr wurde der Handlauf angebracht.
Aus Transportgründen sah die Projektierung der Elemente deren mittige Teilung und Verschweissung auf der Baustelle vor. Die Anzahl der in der Werkstatt (und ausserhalb) ausgeführten Schweissungen in der Ausführungsklasse EXC 4, EN 1090–1, war beträchtlich und setzte hochqualifiziertes Personal und höchste Qualitätskontrollen voraus. Darüber hinaus waren aufgrund der dynamischen Beanspruchung für einen Grossteil der Schweissungen mechanische Bearbeitungen (auch der Oberfläche) notwendig, um mögliche Rissbildungen in den Schweissnähten zu minimieren. Wie schon vorab erwähnt, handelte es sich um eine eher einfache geometrische Konstruktion; dennoch waren die auszuführenden Arbeitsprozesse komplexer Natur. Ein wichtiger Aspekt bei der Bauausführung war zudem das enorme Gewicht der Bauteile; hier galt es, besondere Möglichkeiten zu erkunden, um diese Teile in der Werkstatt und auf der Baustelle zu bewegen. Auch die Oberflächenbehandlung und die langfristige Erhaltung sind bei Eisenbahnbrücken grundlegend. Genau diese Verfahren wurden durch die auf der Baustelle durchgeführten Schweissarbeiten zusätzlich erschwert.   

Transport eines neuen Brücken-Seitenelements.
Transport eines neuen Brücken-Seitenelements.

 

Transport Brückengeländer mit Verbindungen. 
Transport Brückengeländer mit Verbindungen. 

 

Transport, Heben und Montage

Grundlegende bauliche Entscheidungen wurden von der Bauwerksbreite (mehr als 6 m) sowie von der Trassenlage (Riazzino–Samedan) beeinflusst. Tatsächlich mussten die Bauwerke einmal in der Breite und dreimal in der Länge aufgeteilt werden. Sowohl die Überquerung des Bivio als auch die Querung des Julierpasses begrenzten unter anderem die maximalen Lademöglichkeiten der Konvois stark. Ungeachtet dieser entlang der Strecke liegenden kritischen Passagen erwiesen sich die getroffenen Konstruktionsentscheidungen als sinnvoll, und die Bauteile erreichten wohlbehalten ihr Ziel – die meisten Transporte erfolgten problemlos in der Nacht.
In mehr oder weniger nah an der Baustelle angrenzenden Bereichen wurden einige Flächen zur erneuten Positionierung der Elemente eingerichtet. Auf ihnen erhielten die Teile direkt vor Ort durch Verschweissung ihre endgültige Form und eine Oberflächenbehandlung. Natürlich gilt es bei Arbeiten in der Gegend von Samedan auf ca. 1700 m ü. M. auch die Saisonalität des Ortes zu berücksichtigen. Da die Arbeiten an den Bauwerken nur von April bis Oktober möglich waren, hat man dafür zwei gesonderte Phasen vorgesehen. Die Bauwerke wurden 2021 in Samedan vorbereitet und 2022 aufgestellt. Das kleinere Bauwerk wurde 2021 in Pontresina aufgestellt, das grössere 2021 vorbereitet und 2022 aufgestellt.
Bei Punt Muragl wurde am rechten Ufer der Flaz, nahe der Kreuzung der Rhätischen Bahn, ein provisorisches Podest errichtet, das als Platz für den Zusammenbau des Hauptbauwerks benötigt wurde.
Die Suche nach einem geeigneten Areal für die beiden für Samedan vorgesehenen Bauwerke war hingegen beim Kreisverkehr (Via Chantunela) erfolgreich, auf Höhe des Bahnhofs, aber auf der gegenüberliegenden Seite des Inns.   

Das alte Brückenteil wird angehoben und von seinem Standort entfernt.
Das alte Brückenteil wird angehoben und von seinem Standort entfernt.

 

 

Der erste Ansatz sah vor, die sich sehr ähnelnden Bauwerke im Lauf zweier Saisons vorzubereiten und die bestehenden Bauwerke in nur einer Arbeitsphase zu ersetzen, da hierfür ein grosser Raupenkran zum Einsatz käme. Auf diese Weise hätte der Kran auf «einfache» Weise von Pontresina nach Samedan verlegt werden können. In der ersten Arbeitsphase erfolgte im Gebiet Pontresina das Ersetzen der Brücke über die Flaz. Dafür wurde der grosse Raupenkran (1000 t) nahe dem rechten Ufer positioniert. Beim ersten Hebezyklus liess sich die alte Brücke entfernen. Im Lauf des zweiten Zyklus wurde danach das neue Bauwerk positioniert. Entsprechend der Planung wurden alle Tätigkeiten – einschliesslich der Demontage und Wiederherstellung des Bahnzubehörs – an einem einzigen Wochenende ausgeführt. Auf diese Weise verkürzte sich die Teilsperrung des Bahnverkehrs auf wenige Tage (Donnerstagabend bis Montagmorgen).
Die Tätigkeiten für die Brücken in Samedan erwiesen sich, obwohl sie konzeptionell ähnlich waren, als etwas komplexer. Da zwischen dem Montageplatz und dem endgültigen Standort der Bauwerke etwa 300 m Abstand lag, war ein Zwischentransport des gesamten Bauwerks notwendig. Dieser wurde mit einem ferngesteuerten Modulfahrzeug mit eigenem Antrieb durchgeführt.
Auch hier erfolgten der Rückbau der beiden jahrhundertealten Bauwerke und die Aufstellung der beiden neuen Brücken. Der gesamte Einsatz dauerte einschliesslich der Wiederherstellung des Bahnzubehörs ca. 78 Stunden.
Zur Ausführung der Montage auf der Baustelle war ausser dem Bett (notwendig für eine korrekte Positionierung der Brückenabschnitte) auch eine Überdachung wichtig, damit die Tätigkeiten bei jedem Wetter ohne Beeinträchtigung des Gesamtprogramms durchgeführt werden konnten.
Die einzigen nicht im Auftrag enthaltenen Leistungen betrafen die Bauwerke für die Bahninfrastruktur und die Bautätigkeiten an den Widerlagern, die an die neuen Bauwerke angepasst und teilweise integriert werden mussten.

Das neue Brückenteil wird platziert.
Das neue Brückenteil wird platziert.

 

Resümee

Der Auftrag wurde dank der vorgegebenen Abläufe planmässig laut Programm ausgeführt; besondere Anstrengungen forderten die Logistik, die Zeitplanung sowie die Qualität des Materials und der Schweissnähte, aber auch die Oberflächenbehandlung.
«Die Gewährleistung eines solch hohen Qualitätsstandards war für uns eine Premiere. Hierbei beziehe ich mich insbesondere auf die bei den Schweissarbeiten erbrachten Leistungen – sowohl in Bezug auf das geschmolzene Material als auch auf die Oberfläche –, speziell in Anbetracht der dynamischen Belastungen, denen sowohl die Konstruktion als auch die Schweissnähte ausgesetzt sind», erklärt Ing. Nazareno Rossi, Vizedirektor der Officine Ghidoni SA.
«Besonders erfreut waren wir über die vom Auftraggeber, vom Projektplaner und von der Bauleitung ausgesprochene Zustimmung sowie vor allem über eine Erwähnung beim Schweizer Stahl- und Metallbaupreis Prix Acier 2023 des SZS, mit dem Stahlbauwerke mit exemplarischer architektonischer Qualität und technischer Leistungsfähigkeit auszeichnet werden», schliesst Rossi ab. 

Nach wenigen Tagen war die Brücke ersetzt und für das Befahren freigegeben.
Nach wenigen Tagen war die Brücke ersetzt und für das Befahren freigegeben.

 

 

Abmessungen und Gewichte der Bauwerke

Lufbrücke ca. 5,00 x 0,90 m L = 9,6 m, ca. 20 t
Flatzbachbrücke ca. 6,30 x 2,00 m L = 34,5 m ca. 175 t
Innbrücke ca. 6,40 x 1,90 m L = 36 m ca. 162 t
Binnenkanalbrücke ca. 8,10 x 1,90 m L = 36 m ca. 200 t

 

Bautafel 

Auftraggeber:

Rhätische Bahn AG

Ingenieur:

Casutt Wyrsch Zwicky AG - Chitvanni + Wille GmbH

Architekt:

Gredig Walser Architekten AG

Bauleitung:

Casutt Wyrsch Zwicky AG - Chitvanni + Wille GmbH

Stahlbau:

Officine Ghidoni SA

Transporte und Hebearbeiten:

Sabesa SA – Emil Egger AG