April 2023
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Mit Aushubmaterial und Stahl bauen – eine Annäherung

Stahlbau

Der Umbau eines Einfamilienhauses in Volketswil strotzt vor Innovation: Der Stahlleichtbau wird mit Steinen aus stabilisiertem Aushubmaterial ergänzt. Ein Prototyp einer Bauweise, die CO 2 -freundliches Bauen möglich machen könnte.


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Ansicht Stahlbau Süd-Ost-Fassade.
Ansicht Stahlbau Süd-Ost-Fassade.

 

Stahlbau

Mit Aushubmaterial und Stahl bauen – eine Annäherung

Der Umbau eines Einfamilienhauses in Volketswil strotzt vor Innovation: Der Stahlleichtbau wird mit Steinen aus stabilisiertem Aushubmaterial ergänzt. Ein Prototyp einer Bauweise, die CO 2 -freundliches Bauen möglich machen könnte.

Text: Katharina Wyss (SZS) / Bilder: Lars Reinhardt (Rudaz Architekten) und Katharina Wyss 

Wie kann man bereits benutzte Baumaterialien nochmals verwenden? Rudaz Architekten entwickelten in Abstimmung mit ihrer Bauherrschaft eine Bauweise, die es bis anhin nicht gab. Sie verwendeten stabilisierte Erdsteine aus Aushubmaterial für die Vormauerung und die Ausfachung ihres Stahlskelettbaus.
Sie stellen diesen Bau als mögliche Annäherung an viele offene Problemstellungen der heutigen Gesellschaft vor. Dieses Haus soll ihre Bewohner/innen vor der Sommerhitze schützen und ein Raumklima bilden, in dem genug Luftfeuchtigkeit das Atmen leicht macht. Die Baumaterialien sollten nachgewiesenermassen unschädlich sein. Das Bauwerk soll während seiner Nutzungszeit so wenig Energie wie möglich verbrauchen oder sogar Energie erzeugen. Die Solarpaneele auf dem Dach sorgen für die Stromerzeugung des Elektroautos, das der Bauherr besitzt.

 

Weiterbauen und den Rückbau planen

Noch steckt die Wiederverwendung von Bauteilen in der Schweiz in den Kinderschuhen. Rudaz Architekten planten also einen Prototyp einer rückbaubaren Konstruktion, indem sie als tragende Konstruktion HEA-Träger und Stützen vorsahen. Die stabilisierten Erdsteine sind als Aussenschale dem Stahlskelett vorgesetzt.
Das Stahltragewerk stellten sie auf einen bereits bestehenden Grundstock aus Beton, auf den ehemals erstellten alten Bunker und den Keller des vorhergehenden Baus. Durch exakte Planung versuchten die Architekten, Schnittstellen zwischen den Gewerken möglichst im Vorfeld zu entflechten. Da der Keller bereits bestand, glaubten sie zunächst, die Baumeisterarbeiten möglichst kurz halten zu können. Jedoch stellte es sich als wahre Herausforderung dar, Akkordmaurer zu finden, die bereit waren, mit dem neuen Erdsteinen zu arbeiten.
Die Stahlstützen laufen in der Höhe durch bis unter das Dach und sind mit Querträgern miteinander verbunden. Windverbände steifen das Gebäude in Längsrichtung aus. Alle Stahlteile sind miteinander verschraubt, damit sie beim Rückbau leichter auseinandergenommen werden können. Decken und Dach sowie Innenwände nutzen die Architekten, um Speichermasse innerhalb des Leichtbaus zu schaffen. Die Untersicht der Decken bilden nun die achtzig Zentimeter breiten Erdsteine, welche die Abstände zwischen den IPE-Trägern füllen. Sie liegen auf den Flanschen der horizontalliegenden IPE-Träger auf. Bei diesem Kleinbau mussten keine zusätzlichen Verkleidungen aus Brandschutzgründen vorgesehen werden. Die Erdsteine können dadurch die Feuchtigkeit der Raumluft ausgleichen. Gleichzeitig wird die tragende Struktur des Gebäudes an den horizontalen Bauteilen durch die sichtbaren Stahlträger ersichtlich.  

Die Deckenuntersicht des Steildachs wurde sehr früh im Bauprozess fertiggestellt, um die Erdsteine möglichst einfach einbringen zu können.
Die Deckenuntersicht des Steildachs wurde sehr früh im Bauprozess fertiggestellt, um die Erdsteine möglichst einfach einbringen zu können.

 

 

Die Architekten geniessen die gestalterischen Freiheiten, die das tragfähige Grundgerüst mit sich bringt. Die Fenster können wegen der schlanken Stützenprofile näher an die Gebäudeecken des nur vordergründig als Massivbau wirkenden Volumens rücken. Auch die Dimensionierung des Dachstuhls des Steildachs wirkt um einiges filigraner als die übliche Variante mit Holz.
Steinwollplatten zwischen und vor der Stahlkonstruktion bilden die notwendige Aussendämmschicht. Auf der Innenseite wird eine gedämmte Installationsschicht eingeführt. Die vertikalen Flächen der Aussenwand werden mit armierten Lehm-Leichtbauplatten gefasst, um die Dampfdiffusionsoffenheit zu gewährleisten. Als Putz ist Lehmputz vorgesehen.
Alle Teile der Stahlkonstruktion wurden im Innenraum mit einer Farbschicht überzogen, die die Korrosion verhindert. Im Aussenbereich sind die Stahlteile zusätzlich feuerverzinkt.

Upcycling von Aushubmaterial

Die zementstabilisierten Erdsteine stellen die bemerkenswerteste Materialinnovation bei diesem Bauwerk dar. Bisher wurde Aushubmaterial bei Bauprojekten in zwei Teile separiert, wobei das humushaltige Erdreich geschützt und weiterverwendet wurde, die darunterliegenden Erdmassen bis zu 95% auf Deponien landeten. Die Westschweizer Firma Terrabloc verwendet deswegen dieses Material aus Erdreich als Rohstoff für ihr neues Produkt. Seit 2011 verpressen sie Aushubmaterial aus verschiedenen Untergründen zu Steinen. Das Ausgangsmaterial dafür setzt sich aus verschiedenen Bodentypen wie Lehm, Sand, Schluff und Kiesel zusammen. Angereichert wird diese Erdmischung im Rührwerk mit 4% Zement, um dem Material Festigkeit zu verleihen. Diese Mischung wird unter Hochdruck verpresst. Die daraus entstehenden Steine quellen je nach Wetterlage auf und geben bei trockenem Wetter Feuchtigkeit ab. Durch den Zusatz von Zement können sie auch für Aussenmauern verwendet werden.
Lehmbaupuristen kritisieren den Einsatz von Zement. Die Firma ist deswegen seit Jahren auf der Suche nach einem gleichwertigen Alternativzusatz, gilt doch die weltweite Zementerzeugung als Quelle für 8% der CO 2 -Produktion auf der Erde. Jedoch wird in der Herstellung der Erdsteine weniger Energie verbraucht als beim Brennen von Tonziegeln. Auch ist der Zementgehalt mit knapp 4% der Gesamtmasse um einiges geringer als der Zementgehalt von Beton, der ca. 10–15% einer klassischen Betonrezeptur ausmacht.  

Blick vom Baustellengerüst auf die fertige Vormauerung. Die Erdsteine benötigen Dehnungsfugen in regelmässigen Abständen.
Blick vom Baustellengerüst auf die fertige Vormauerung. Die Erdsteine benötigen Dehnungsfugen in regelmässigen Abständen.

 

Vision

Sowohl die Ästhetik der vorgemauerten Fassade aus stabilisierten Erdsteinen wie auch das leichte Dach und die exzentrisch gesetzten Fensteröffnungen entsprechen nicht den Sehgewohnheiten von dem, was in der Schweiz als Einfamilienhaus verstanden wird.
Eines ist sicher: Sollte der Bau mal rückgebaut werden, würde das schnell passieren können. Während der Stahlleichtbau wiederverwendet werden könnte, könnten die Pressziegel aufgesammelt und wieder der Erdmischung für neue Pressziegel zugefügt werden (Recyclingrate: 25% des bereits verwendeten Materials). Falls die Stahlstruktur durch Korrosion oder Abnutzung nicht nochmals für einen Bau einsetzbar wäre, könnte man sie immer noch einschmelzen und zu 100% dem Stahlrecycling zufügen. Selbst nach seiner Lebensdauer wird wenig von diesem Bau auf der Deponie landen. Dieser Bau birgt das Potential, eine echte Alternative zu bisher gängigen Bauweisen zu werden.   ■

Knotenpunkt Decke mit eingehängten Lehmstein. Alle Verbindungen sind verschraubt.
Knotenpunkt Decke mit eingehängten Lehmstein. Alle Verbindungen sind verschraubt.

 

 

Bautafel 

Architekt:

Rudaz Architekten, Zürich
Demian Rudaz, Lars Reinhardt (Projektleitung)

Bauingenieur:

Seforb, Uster. Alexandre Fauchère (Inhaber), Jörg Habenberger (Projektbeauftragter)

Stahlbau:

U. Rechsteiner AG, Laupen

Steine:

Terrabloc, Genf

 

Sind Sie neugierig auf diese neue Bauweise?

Kommen Sie zum Steelinn n°45!
Baustellenbesuch am 20. April 2023
Gastgeber: Architekten Rudaz Architekten (Zürich), Bauingeineure: Seforb (Uster)
Beginn: 17.00 Uhr. Die Veranstaltung schliesst mit einem gemeinsamen Apéro
Ort: Brugglenstrasse 28, Volketswil
Es kann auf dem Parkplatz des benachbarten Tennisclubs geparkt werden.
Bitte geeignete Schuhe und Helm mitbringen.